Bisher wurden Schülerinnen und Schüler außerhalb des eigentlichen Unterrichts nach der generellen Einschätzung ihrer Mathematikangst befragt, aber nicht während Mathetests und mitten im Unterricht. Diese Studien klammerten somit das tatsächliche Befinden bei Prüfungen und im Mathematikunterricht aus, sagen die Forscher um Thomas Götz von der Universität Konstanz. Anders als in diesen bisherigen Studien blickten die Wissenschaftler nun mitten in den Mathematikunterricht hinein und erforschten das Befinden von Schülerinnen und Schülern in der tatsächlichen Unterrichtssituation.
Im Rahmen zweier Untersuchungsansätze befragten die Forscher rund 700 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 5 bis 11. Die eine Untersuchung bezog sich auf Mathe-Prüfungsangst und die zweite auf Mathe-Unterrichtsangst. Im ersten Ansatz wurden die jungen Probanden sowohl nach einer allgemeinen Einschätzung ihrer Angst vor Mathe-Prüfungen befragt, als auch zu ihrer akuten Angst unmittelbar vor und während einer Matheprüfung. Beim zweiten Ansatz wurden sie nach einer allgemeinen Einschätzung ihrer Angst im Mathematikunterricht gefragt sowie mehrmals zu ihrer aktuellen Angst während des Mathematikunterrichts mittels eines kleinen Handcomputers.
Mädchen denken offenbar nur, sie hätten mehr Angst
Ergebnis: Bei der generellen Befragung schätzen die Schülerinnen ihre Mathematikangst höher ein als ihre Mitschüler – und das trotz gleicher Noten. Dies bestätigte das Ergebnis der früheren Studien. Die Befragungen während des Mathetests und mitten in der Mathematikstunde zeigten jedoch, dass sich Schülerinnen in der tatsächlichen Prüfungs- beziehungsweise Unterrichtssituation gar nicht ängstlicher fühlten als Schüler.
Den Forschern zufolge legt dieses Ergebnis nahe, dass der Grund für die Diskrepanz der Einschätzungen beim Selbstbild von Mädchen zu suchen ist. Schülerinnen werden vermutlich eher durch Geschlechterklischees und Stereotypen als aufgrund tatsächlicher Leistung dazu gebracht, ihre Fähigkeiten in Mathe schlechter einzuschätzen. Dies führt dazu, dass sie ihre Angst im Bereich Mathematik überbewerten. Mädchen denken demnach also nur, sie hätten mehr Angst, obwohl dies in der konkreten Unterrichts- und Prüfungssituation nicht zutrifft. Dies wiederum sei vermutlich ein wichtiger Grund dafür, dass Frauen weniger häufig als Männer mathematikintensive Berufsfelder wählen, meinen die Forscher.