Wälder gelten nicht nur als die „grünen Lungen“ unseres Planeten – sie sind auch wichtige Klimaakteure. Denn durch ihre Aufnahme von Kohlendioxid (CO2) tragen die Bäume dazu bei, den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu regulieren. Wie effektiv eine globale Aufforstung zum Klimaschutz beitragen könnten, haben nun Forscher ermittelt. Demnach könnten 0,9 Milliarden Hektar zusätzlicher Wald schon ausreichen, um zwei Drittel der menschengemachten CO2-Emissionen zu schlucken – das entspricht etwa der Fläche der USA. Das Entscheidende jedoch: Den Platz dafür gäbe es, wie die Wissenschaftler feststellten.
„Die photosynthetische Aufnahme von CO2 durch Bäume gehört wahrscheinlich zu den effektivsten Strategien, um den Anstieg der CO2-Konzentrationen auf der Erde zu begrenzen“, erklären Jean-Francois Bastin von der ETH Zürich und seine Kollegen. Der Schutz des Waldes und die Aufforstung von durch Brände, Stürme oder Schädlinge zerstörten Waldgebieten gilt daher schon länger als wichtiger Teil der Klimaschutzbemühungen. Unklar war allerdings bisher, wie effektiv die Wirkung der irdischen Wälder als CO2-Senke ist – und was demzufolge eine gezielte Aufforstung bringen würde. Der Weltklimarat IPCC schätzte in seinem letzten Weltklimabericht, dass rund eine Milliarde Hektar zusätzlichen Waldes nötig wären, um die Klimaerwärmung bis 2050 auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Wo könnte neuer Wald entstehen?
„Es war jedoch unklar, ob diese Klimaschutzmaßnahme überhaupt machbar wäre, weil wir nicht wissen, wie viel Waldfläche es unter den gegenwärtigen Klimabedingungen auf der Erde geben kann und wo diese Bäume stehen würden“, sagen die Forscher. Denn viele Regionen sind entweder zu kalt oder zu trocken, um einen Waldbestand zu ermöglichen. Andere Gebiete werden für landwirtschaftliche Flächen, für Siedlungen und andere menschliche Aktivitäten benötigt. Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Bastin und seine Kollegen nun erstmals nicht nur die existierenden Wälder kartiert, sondern auch ermittelt, wo auf der Erde das Potenzial für zusätzliche Waldflächen bestünde.
Für ihre Studie nutzten die Forscher eine Datenbasis zu fast 80.000 Wäldern weltweit, um zunächst den bestehenden Waldbestand zu kartieren. Dann setzten sie einen lernfähigen Algorithmus ein, der mithilfe von Klimadaten ermittelte, auf welchen Flächen noch weiterer Wald wachsen könnte – berücksichtigt wurden dafür beispielsweise von Bränden oder Stürmen entwaldete Gebiete, aber auch Areale, in denen bisher nur ein lockerer Baumbestand steht. Das Ergebnis: „Grundsätzlich könnte die irdische Landfläche unter den bestehenden Klimabedingungen Wälder mit 4,4 Milliarden Hektar Kronenfläche hervorbringen“, berichten Bastin und sein Team. „Das sind 1,6 Milliarden Hektar mehr als heute existieren.“ Demnach besteht rein platzmäßig das Potenzial, die irdischen Waldflächen noch weiter aufzustocken.
Zusätzlicher Wald könnte zwei Drittel der CO2-Emissionen schlucken
Allerdings muss man von dieser Fläche die Gebiete wieder abziehen, die für Landwirtschaft und Siedlungen genutzt werden. „Denn diese Flächen sind nötig, um die wachsende Weltbevölkerung zu erhalten“, betonen die Forscher. Damit bleiben ihren Berechnungen nach 0,9 Milliarden Hektar an Fläche übrig, die für eine Aufforstung und Waldregeneration zur Verfügung stünden – dies entspricht in etwa der Fläche der USA. Die neue Karte der potenziell aufforstbaren Gebiete zeigt auch, wo diese Flächen zur Verfügung stehen. „Mehr als die Hälfte dieses Potenzials verteilt sich auf nur sechs Staaten“, berichten Bastin und seine Kollegen. 151 Millionen Hektar könnten demnach in Russland aufgeforstet werden, 103 Millionen Hektar in den USA und 78,4 Millionen Hektar in Kanada. Australien könnte mit 58 Millionen Hektar beitragen und China mit immerhin noch 40,2 Millionen Hektar. Vor allem in Russland liegen dabei viele dieser potenziellen Waldflächen in Gebieten, in denen in den letzten Jahren schwere Waldbrände den alten Baumbestand zerstört oder dezimiert haben.
„Damit liefert unsere Studie die Referenzgröße für einen globalen Aktionsplan, die zeigt, wo auf unserem Globus neue Wälder entstehen könnten“, sagt Bastin. Doch nicht nur das: Die Forscher rechneten auch aus, wie viel CO2 diese zusätzlichen Waldflächen aufnehmen könnten. Das Ergebnis: „Wir schätzen, dass die Vegetation in diesen Aufforstungsgebieten zusätzliche 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern könnte“, berichten sie. Das entspricht etwa zwei Dritteln der gesamten Kohlenstoffmenge, die die Menschheit seit der industriellen Revolution als CO2 in die Atmosphäre emittiert hat. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass Flächen zu bewalden derzeit die beste verfügbare Lösung gegen den Klimawandel ist“, sagt Bastins Kollege Tom Crowther. „Allerdings müssen wir schnell handeln, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wälder reifen und ihr Potenzial als natürliche CO2-Speicher ausschöpfen.“
„Teil einer Lösung“
Allerdings: „Die Aufforstung kann trotz allen Potenzials nur eine von vielen Maßnahmen für den Klimaschutz sein“, kommentiert Felix Creutzig vom Mercator-Forschungsinstitut die Studie. Und nicht alle theoretisch verfügbaren Flächen sind auch praktisch aufforstbar, wie beispielsweise Karlheinz Erb von der Universität für Bodenkultur in Wien anmerkt: „Flächen, die für die Viehzucht verwendet werden, wurden als ‚aufforstbar‘ angenommen – solche Potenziale auszuschöpfen, würde zu massiven sozialen Auswirkungen führen, wenn man zum Beispiel an die Savannen denkt.“ Zudem ist zu erwarten, dass die für Landwirtschaft benötigte Fläche wegen der wachsenden Weltbevölkerung in Zukunft zunehmen wird – auch dies müsste man von den 0,9 Milliarden Hektar abziehen. „Daraus folgt, dass Aufforstung wohl nicht eine Wunderwaffe darstellt, sondern Teil einer Lösung sein muss“, meint Erb.
Quelle: Jean-Francois Bastin (ETH Zürich) et al., Science, doi: 10.1126/science.aax0848