Cyanobakterien gehören zu den ältesten Organismen der Erde: Sie lebten schon vor rund 3,5 Milliarden Jahren in den Urmeeren und spielten eine entscheidende Rolle dafür, die Bühne für weitere Lebewesen zu ebnen. Denn durch ihre Photosynthese produzierten sie den Sauerstoff, der die Uratmosphäre nach und nach zu einer für Tiere atembaren Lufthülle machte. Ihre große Anpassungsfähigkeit sorgte dafür, dass die Cyanobakterien bis heute ein Erfolgsmodell der Evolution geblieben sind. Und auch heute passen sie sich wieder an: Sie können sich selbst in den Gewässern vermehren, in denen andere Algen kaum gedeihen können. Unter solch schwierigen Bedingungen vermehren sich gerade die Blaualgenstämme, die das Toxin Microcystein produzieren. Dieses ist stark leberschädigend und gilt als krebserregend.
Das Problem dabei: Dominieren die giftigen Cyanobakterienstämme einmal ein Gewässer, bleiben sie auch – andere Algen haben dann keine Chance mehr. „Cyanobakterien sind die Küchenschaben der aquatischen Welt: Haben sie sich einmal ausgebreitet, wird man sie nicht mehr los“, erklärt Timothy Otten von der University of North Carolina in Chapel Hill. Das Beste sei daher, ihre Ausbreitung von vornherein zu begrenzen, indem man die Bedingungen vermeidet, die diese Giftalgen begünstigen. Welche dies sind, haben Otten und sein Kollege Hans Paerl nun anhand neuer Daten zusammengetragen. Studien anderer Forscher deuteten bereits darauf hin, dass die Algen das Microcystein nicht gezielt als Toxin produzieren, sondern das die Giftigkeit dieser Substanz eher ein Nebeneffekt ist. Hautaufgabe ist stattdessen der Schutz: Das Microcystein bewahrt die Cyanobakterien vor oxidativem Stress – aggressiven Sauerstoffverbindungen, die die Zellen schwer schädigen können.
Fatale positive Rückkopplung
Wie Otten und Paerl berichten, entstehen solche aggressiven Verbindungen vor allem dann im Wasser, wenn die Sonne stark und lange scheint und das warme, nährstoffreiche Wasser des Sees kaum durchmischt wird. Solche Bedingungen herrschen typischerweise im späten Frühjahr und Sommer – und sie werden dank der globalen Erwärmung häufiger und halten länger an. Unter diesen Bedingungen zersetzt das UV-Licht organische Kohlenstoffverbindungen in Superoxid (O2-) und Wasserstoffperoxid (H2O2). Das Wasserstoffperoxid wird passiv von den Algenzellen aufgenommen und ist dort ein wichtiger Auslöser für oxidativen Stress, wie die Forscher erklären.
Zwar besitzen alle Algen natürliche Schutzmechanismen gegen solche aggressiven Verbindungen. Die giftigen Stämme der Cyanobakterien scheinen aber durch ihr Toxin besonders gut gewappnet zu sein. „Dadurch haben die giftigen Stämme einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den nicht toxischen“, so Otten und Paerl. Und den behalten sie auch. Denn die Algen produzieren selbst aggressive Sauerstoffverbindungen und setzen sie frei. Außerdem reichern sie die Gewässer bei ihrem Absterben weiter mit organischen Nährstoffen an. Das aber wiederum macht den oxidativen Stress im Wasser noch höher. Als Folge können in diesen Gewässern bald nur noch die besonders angepassten Cyanobakterien überleben – eine klassische positive Rückkopplung.
Das Problem dabei: Eine Ausbreitung von giftigen Cyanobakterien ist umso wahrscheinlicher, je wärmer, sonniger und überdüngter ein Gewässer ist. Genau diese Bedingungen aber werden durch den Klimawandel zunehmend häufiger: „Wärmere Temperaturen resultieren in einer stärkeren Schichtung, zunehmende Trockenheit konzentriert das Wasser – und das fördert die positive Rückkopplung, die die nichtgiftigen Algen auf Dauer völlig verdrängen kann“, erklären die Forscher. In Zukunft müsse daher damit gerechnet werden, dass giftige Algenblüten auch in Seen und anderen stehenden Gewässern immer häufiger werden.