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Kluge Hirne filtern besser

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Kluge Hirne filtern besser
Wer intelligent ist, gilt auch als „Schnellmerker“: Er kann in kurzer Zeit Wesentliches erfassen, egal ob in einem Text oder in seiner Umgebung. Unter anderem deshalb haben Psychologen schon im 19. Jahrhundert vermutet, dass es eine enge Verbindung zwischen der Wahrnehmung und der Intelligenz geben muss. Dass Menschen mit einem hohen IQ tatsächlich anders auf Umweltreize reagieren, haben US-Forscher jetzt in einem Experiment nachgewiesen – mit verblüffenden Ergebnissen. Denn intelligentere Probanden sahen zwar bestimmte optische Reize schneller und besser, andere jedoch dafür deutlich schlechter. Das erscheint zunächst paradox, ist aber logisch zu erklären: Das Gehirn von Menschen mit einem höheren IQ unterdrückt Unwichtiges konsequenter – und schafft damit Ressourcen, um das Wesentliche entsprechend schneller zu erfassen.

Eigentlich war der Test, den die 53 Teilnehmer der Studie durchführen sollten, trivial: Auf einem grauen Bildschirm erschien für jeweils kurze Zeit entweder ein kleiner oder ein größerer Fleck aus senkrechten, abwechselnd hellen und dunklen Streifen. Ihre Aufgabe: Einen Knopf drücken, wenn diese Streifen sich bewegten und dabei angeben, ob sie nach links oder rechts wanderten. Die Schwierigkeit bestand dabei darin, dass die jeweiligen Streifenflecken nur eine sehr kurze Zeit zu sehen waren – denn getestet werden sollte, wie schnell das Gehirn der Probanden das Gesehene aufnehmen und daraufhin auswerten kann, ob es sich bewegt oder nicht. Alle Probanden hatten zudem zuvor einen klassischen Intelligenztest absolviert.

Schnell bei kleinen, langsam bei großen Bewegungen

Michael Melnick von der University of Rochester und seinen Kollegen ging es mit diesem Test darum, den schon vor fast 200 Jahren postulierten Zusammenhang von Wahrnehmung und Intelligenz genauer zu durchleuchten. „Es ist schon länger bekannt, dass Menschen mit einem höheren IQ weniger Zeit benötigen, um Gesehenes zu erfassen und zu beurteilen“, erklären die Forscher. Doch diese Korrelation sei typischerweise nur sehr schwach. Mit ihrem verblüffend simplen Experiment haben die Forscher nun allerdings auch aufgedeckt warum. Zunächst verlief allerdings alles wie erwartet: Bei den kleinen Streifenfeldern reagierten die Probanden mit dem höheren IQ deutlich schneller: Sie benötigten weniger Zeit bis sie erkannten, ob sich die Streifen bewegten und wenn ja in welche Richtung.

Erstaunt waren die Forscher dagegen über ein zweites Ergebnis: Waren die Felder so groß, dass sie fast den gesamten Bildschirm einnahmen, schnitten die intelligenteren Probanden plötzlich deutlich schlechter ab: Sie brauchten mehr Zeit, um zu erkennen, in welche Richtung sich die Streifen bewegten. „Das widersprach total unseren Erwartungen“, sag Melnick. Zwar habe man durchaus vermutet, dass alle Probanden bei den großen Streifenfeldern schlechter abschneiden als bei den kleinen. Denn aus früheren Versuchen war bekannt, dass das Gehirn dazu neigt, solche kontrastreichen, großflächigen Bewegungen als Hintergrundbewegung zu interpretieren – und sie deshalb zunächst ignoriert, weil es auf relevantere Dinge im Vordergrund wartet. Dass aber dieser Aspekt der Wahrnehmung bei Menschen mit hohem oder niedrigerem IQ so unterschiedlich ausgeprägt ist, überraschte selbst die Forscher so sehr, dass sie den Versuch prompt mit weiteren Probanden wiederholten. Das Ergebnis aber war das gleiche: Die Korrelation zwischen dem IQ und dem Abschneiden bei den großen Streifen lag bei 71 Prozent – und damit ähnlich hoch wie die Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen verschiedener gängiger IQ-Tests.

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Bessere Filter für das Unwichtige

„Offensichtlich ist die visuelle Wahrnehmung bei Menschen mit einem hohen IQ nicht einfach besser“, sagt Studienleiter Duje Tadin von der University of Rochester. Stattdessen filtere sie offenbar konsequenter zwischen potenziell unwichtigen Hintergrund-Ereignissen und dem Wesentlichen, das sich in kleinen Ausschnitten des Gesichtsfelds oder im Vordergrund abspielt. Im Prinzip sei das durchaus einleuchtend: „Unser Gehirn wird von so vielen Informationen überschüttet, dass seine Leistung entscheidend davon abhängt, diese effektiv zu filtern“, erklären die Forscher. Intelligenz drücke sich daher nicht nur in einer schnellen Wahrnehmung aus, sondern auch in der Fähigkeit, Unwichtiges in einem sehr frühen Stadium der Verarbeitung zu unterdrücken. „Ein intelligentes Gehirn ist wählerisch“, bringt es Tadin auf den Punkt.

Nach Ansicht der Forscher könnte diese Erkenntnis und das Ergebnis ihres simplen Tests auch dazu beitragen, IQ-Tests zu verbessern. Denn bisherige Tests kranken oft daran, dass sie verbale Aufgaben enthalten und spezifisch für Menschen aus unserem Kulturkreis zugeschnitten sind. „Unser Versuch ist dagegen einfach und trotzdem eng mit dem IQ verknüpft“, so die Forscher. Die wandernden Streifen könnten daher eine kultur-unabhängige Methode sein, um die Intelligenz eines Individuums zu testen.

Wer den Streifentest einmal selbst probieren möchte, kann ihn in diesem Video nachvollziehen:

Michael Melnick (University of Rochester) et al., Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2013.04.053 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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