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Königliches Ameisen-Gen identifiziert

Erde|Umwelt

Königliches Ameisen-Gen identifiziert
Bei vielen Ameisenarten sind Königinnen besonders groß und werden von den sterilen Arbeitern intensiv betreut. (Foto: Daniel Kronauer)

Genetisch gleicht sie ihren „Untertanen“ – dennoch ist die Königin bekanntlich eine ganz besondere Ameise: Sie allein legt Eier, während die Arbeiter steril sind und sich um alles andere kümmern. Was hinter dem Unterschied zwischen Königin und Volk steckt, haben Forscher nun aufgedeckt. Erstaunlicherweise basiert die Rollenzuordnung offenbar nur auf der Regulation eines einzelnen Gens, das für die Produktion einer prominenten Substanz zuständig ist: Insulin.

Staatenbildende Insekten sind faszinierende Entwicklungen der Evolution: Irgendwann entstand bei einigen Arten aus dem „Ich“ ein wohlgeordnetes „Wir“ – eine Gemeinschaft aus vielen Individuen, die eine Art Superorganismus bilden. Besonders die Ameisen avancierten durch dieses Erfolgskonzept zu einer Weltmacht. Viele Tausend Arten haben sich die unterschiedlichsten Lebensräume der Erde erobert und prägen durch ihr Treiben die Ökosysteme. Ein wichtiger Aspekt ihres Staatswesens ist bekanntlich die Arbeitsteilung. „Wir wollten nun herausfinden, welche molekularen Mechanismen die Königinnen zu eierlegenden Ameisen machen und die übrigen zu fleißigen Arbeitern,“ sagt Daniel Kronauer von der Rockefeller University in New York.

Dem Unterschied auf der Spur

Klar schien, dass die verschiedenen Merkmale von Königinnen und Arbeitern auf der unterschiedlichen Aktivität von Genen im Erbgut der Tiere basieren. Um diesen „königlichen“ Genen auf die Spur zu kommen, verglichen die Forscher die Genexpression von Königinnen und Arbeitern bei verschiedenen Ameisenarten. In ihren Ergebnissen zeichnete sich ab: Nur ein Gen scheint hauptverantwortlich zu sein – es liegt bei Königinnen stets hochreguliert vor. Dieses Gen ist den Wissenschaftlern zufolge für die Produktion des Peptids ILP2 verantwortlich – es handelt sich dabei um die Ameisenversion des Insulins. Wie beim Menschen, ist es wohl auch bei den Insekten für die Kontrolle des Stoffwechsels zuständig, sagen die Forscher.

Um zu überprüfen, ob ILP2 tatsächlich eine Rolle beim Unterschied zwischen den Tieren im Ameisenstaat spielt, führten die Wissenschaftler Versuche mit der Ameisenart Ooceraea biroi durch. Diese Spezies unterscheidet sich von anderen Ameisen in einem interessanten Aspekt: Bei ihnen ist die Zuordnung Königin und Arbeiterin fließend. Bei Bedarf können sich die Arbeiterinnen in eierlegende Ameisen verwandeln und umgekehrt. Der Übergang zwischen den Phasen wird dabei durch die Anwesenheit von Larven reguliert: Wenn Nachwuchs vorhanden ist, hören die Ameisen auf Eier zu legen und wechseln in den Pflegemodus – sie werden also gleichsam von Königinnen zu Arbeiterinnen.

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Bei diesen speziellen Ameisen untersuchten Kronauer und seine Kollegen nun die Expression der Erbanlage für ILP2. Es zeigte sich: Wenn die Forscher Larven während der Brutpflegephase aus dem Nest entfernten, stieg die Insulinproduktion bei den erwachsenen Tieren deutlich an. Wenn sie hingegen Larven hinzufügten, nahm die Insulinproduktion ab. Das bedeutet: Das Vorhandensein von Larven unterdrückt die Produktion von Insulin und damit die Reproduktion. Die Funktion von ILP2 bestätigte außerdem ein weiteres Experiment: Die Wissenschaftler injizierten den Ameisen Insulin während der Brutpflege. Diese Behandlung führte zur Aktivierung der Eierstöcke – selbst wenn viele Larven vorhanden waren.

Hinweise auf die Evolutionsgeschichte der Ameisen

Den Forschern zufolge liefern ihre Ergebnisse nun wichtige Hinweise zur Frage, wie sich Ameisen einst von solitären zu sozialen Lebewesen mit spezialisierten Kasten entwickelt haben. Man ging bereits davon aus, dass es sich gleichsam um eine Festlegung auf eine der Verhaltensweisen gehandelt hat, welche die einzeln lebenden Ahnen der Ameisen noch nacheinander zeigten: Sie legten Eier und kümmerten sich anschließend um die Larven. Im Staat erfüllen diese beiden Aufgaben unterschiedliche Individuen.

Den Forschern zufolge erscheint es plausibel, dass die Insulinproduktion zur Regulation dieser Rollen rekrutiert wurde. Von dieser Substanz ist bereits bekannt, dass sie die Fortpflanzung und die Nahrungssuche bei einer breiten Palette von Organismen reguliert und auch, dass ihr Niveau im Körper von der Ernährung abhängt. Genau dieser Aspekt passt nun ebenfalls ins Bild. Die Kastenbestimmung bei den meisten Ameisenarten basiert bekanntermaßen auf der unterschiedlichen Ernährung der zu Königinnen bestimmten Larven – sie bekommen mehr Futter als Arbeiter-Larven. Dies führt wahrscheinlich dazu, dass sie mehr ILP2 bilden, was letztlich zur Entwicklung ihres wichtigsten Merkmals führt: Reproduktionsfähigkeit.

Quelle: Rockefeller University, Science, doi: 10.1126/science.aar5723

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