Plump und beinlos – Maden können nur kriechen, könnte man meinen. Doch für die Larven einer Gallmücken-Art gilt das nicht: Sie können sich bis zu 36 Körperlängen weit durch die Luft katapultieren. Welches Geheimnis hinter diesem erstaunlichen Sprungtalent steckt, haben Forscher nun durch Hochgeschwindigkeitsaufnahmen und mikroskopische Untersuchungen aufgeklärt. Das raffinierte und energiesparende Konzept der springenden Maden könnte möglicherweise die Entwicklung von Softrobotern voranbringen, sagen die Forscher. (Video: Der Maden-Sprung in Zeitlupe, Credit: Duke University)
Sie hopsten durch sein Labor, nachdem er sie aus ihren kleinen Wohnungen gezerrt hatte: Das Sprungtalent der Maden der Asphondylia-Gallmücken rückte in den Fokus des Biologen Mike Wise von der Duke University in Durham im Rahmen seiner Untersuchungen zur Artenvielfalt dieser interessanten Insekten. Gallmücken sind dafür bekannt, dass sie die Entwicklung spezieller Gebilde an Pflanzen hervorrufen: Aus ihren Eiern schlüpfen Larven, die durch bestimmte Substanzen die Pflanze dazu anregen, eine sogenannte Galle auszubilden.
In diesem Gebilde wohnen die Maden und knabbern ihre Behausung von innen aus. „Wenn ihre Gallen beschädigt werden, müssen sich die Maden fortbewegen, um eine Überlebenschance zu haben“, erklärt Wise. Die etwa drei Millimeter langen Asphondylia-Larven winden sich jedoch nicht einfach davon: Sie katapultieren sich in Sicherheit. Prinzipiell war dieses Verhalten bereits bekannt, doch bisher hat niemand genau untersucht, wie den beinlosen Winzlingen dieses Kunststück gelingt. So entschlossen sich Wise und seine Kollegen, den springenden Maden eine Studie zu widmen.
Die Wissenschaftler holten dazu einige der Winzlinge aus ihren Behausungen, setzten sie auf eine Unterlage und erfassten ihr Verhalten mit einer Hochgeschwindigkeitskamera, die 20.000 Aufnahmen pro Sekunde liefern kann. Wie sie berichten, erforderte die Untersuchung Geduld und Fingerspitzengefühl, denn es war offenbar nicht einfach, die wuselnden Würmchen im Fokus zu halten, bevor sie starteten. Wenn der Sprung dann glückte, sausten sie auf ihrer chaotischen Flugbahn auch oft aus dem Sichtfeld der Kamera. „Manchmal plumpsten sie aber auch nur um und flogen dann nicht weit“, berichtet Co-Autorin Grace Farley. Doch am Ende gelang es den Forschern, den Ablauf genau zu dokumentieren.
Der Unterleib fungiert als Sprungbein
Es zeichnet sich ab: Um sich auf den Sprung vorzubereiten, rollen die Maden ihre Körper zu einer Schleife zusammen: „Sie platzieren das eine Ende ihres Körpers auf den Untergrund und schieben den gegenüberliegenden Teil zurück, bis sich beide Enden treffen“, sagt Harrison. An der Kontaktstelle entsteht dann eine Haftverbindung. Als Nächstes drückt die Made ihre obere Körperpartie nach unten, bis sich in der Mitte des Körpers ein Knick bildet. Anschließend schwillt der untere Teil an, wodurch sich Spannung aufbaut.
Diese elastisch gespeicherte Energie wird schlagartig frei, wenn sich die Verbindung an der Kontaktstelle der beiden Körperhälften löst. Der untere Teil fungiert dann wie ein Bein, das die Made in die Luft katapultiert. Saltos schlagend saust sie dann durch die Luft und kann dabei bis zu 36 Körperlängen zurücklegen. Berechnungen der Wissenschaftler ergaben, dass diese Fortbewegungsweise aus energetischer Sicht ausgesprochen günstig ist: Kriechend, würde die Made rund 30-mal mehr Energie verbrauchen als springend. Und der zweite Vorteil liegt auf der Hand: Sie können sich vergleichsweise schnell aus der Gefahrensituation befördern.
Ein raffinierter Haftmechanismus sorgt für Spannung
Als Nächstes nahmen die Wissenschaftler die Verbindungsstelle, die als Auslöser für den Mechanismus dient, genau ins Visier. Während andere Lebewesen durch ihre Mundwerkzeuge eine gespannte Verbindung zwischen Kopf und Schwanz herstellen, besitzen die Larven der Asphondylia-Gallmücken hingegen spezielle Haftstrukturen an den Andock-Stellen, zeigten elektronenmikroskopische Aufnahmen. Es handelt sich um Reihen von kleinen fingerähnlichen Schuppen mit einem Durchmesser von einem Mikrometer. Diese Gebilde sorgen offenbar für den Hafteffekt – vermutlich ähnlich wie bei den Strukturen an den Füßen der Geckos, sagen die Forscher.
Wie genau dieser Haftmechanismus funktioniert, wollen sie nun detailliert untersuchen. Die Wissenschaftler betonen dabei, dass das Konzept nicht nur aus biologischer Sicht interessant sein könnte. „Der Schnappmechanismus, der auf diesen winzigen Haftstrukturen beruht und die Tatsache, dass das Konzept Energie spart, könnte für die Entwicklung von Softrobotern interessant sein“, sagt Co-Autorin Sheila Patek.
Quelle: Duke University, Fachartikel: Journal of Experimental Biology, doi:10.1242/jeb.201129