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Kurioses aus der Natur: Entführt und benutzt

Erde|Umwelt

Kurioses aus der Natur: Entführt und benutzt

Räuber-Beute-Beziehung, Symbiose oder Parasitismus – die Verhältnisse von Lebewesen untereinander können höchst unterschiedlich sein. In diesem Zusammenhang berichten Biologen nun von einem erstaunlichen Phänomen aus der Tierwelt des Südpolarmeers: Flohkrebse schnappen sich dort Flügelschnecken und nehmen sie Huckepack, um sich durch das giftige Gepäck vor Räubern zu schützen. Ein Nutzen ist für die Flügelschnecken nicht erkennbar – die Forscher sprechen deshalb von einer „Entführung“.

Dass sich Forscher für das Leben der Flohkrebse (Amphipoden) interessieren, hat einen einleuchtenden Grund: Die Kleinen sind eine Größe im Ökosystem – als Beute von Fischen und Seevögeln spielen sie eine bedeutende Rolle im Nahrungsnetz des südlichen Ozeans. Aus diesem Grund untersuchen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) die verschiedenen Flohkrebsarten und ihre ökologische Bedeutung.

Im Rahmen dieser Forschung machte die Biologin Charlotte Havermans bei einer Expedition des Forschungsschiffs Polarstern im Südpolarmeer eine erstaunliche Entdeckung: „Einige Flohkrebse hatten etwas Merkwürdiges auf ihrem Rücken. Bei näherem Hinsehen erkannte ich: Sie trugen Flügelschnecken Huckepack“, berichtet Havermans. So beschlossen sie undf ihre Kollegen, dem Phänomen eine genauere Untersuchung zu widmen.

Ein giftiger Rucksack schützt vor Feinden

Warum die Flohkrebse die Schnecken mit sich tragen, liegt den Forschern zufolge auf der Hand: Flügelschnecken produzieren abschreckende chemische Stoffe, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Indem die Flohkrebse sie Huckepack nehmen, machen sie sich dieses Schutzverfahren zu eigen. „Wir fragten uns allerdings, ob diese Tandems im offenen Ozean ebenso häufig wie in den Küstengewässern vorkommen – und ob beide Tiere von dieser Beziehung profitieren“, sagt Havermans.

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Ihre Untersuchungen ergaben: Im küstennahen McMurdo Sound trugen tatsächlich die meisten der untersuchten Flohkrebse einen Schnecken-Rucksack. Überraschenderweise sind die Gespanne aber auch im offenen Südpolarmeer anzutreffen. Wie die Forscher feststellten, schnappen sich die Krebschen dort Schneckenarten, die schwimmen können, wie die Ruderschnecke Clione limacina antarctica. Bezüglich des Nutzens des Systems zeigten Verhaltensbeobachtungen: Antarktisdorsche und andere Räuber werden durch die von den Schnecken produzierten chemischen Stoffe abgeschreckt und das gilt auch für die Tandem-Version. Dorsche lernen demnach, dass ihnen Flohkrebse mit Rucksack schlecht bekommen und meiden sie deshalb ebenfalls.

Video: Ein Flohkrebs ist mit einer Schnecke auf dem Rücken unterwegs. (Credit: Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung)

Symbiose? – Eher nicht

Doch handelt es sich bei dem Phänomen nun um eine Symbiose – eine Beziehung bei der beide Lebewesen profitieren? Die Forscher fanden Hinweise darauf, dass dies nicht der Fall ist. Der Vorteil für die Krebschen ist klar – für die Schnecken hingegen nicht. Die Forscher beobachteten, dass die Flohkrebse die Schnecken derart festhalten, dass sie beim Fressen behindert werden und auch positive Aspekte bezüglich des Transports zeichnen sich nicht ab. „Nach unseren bisherigen Erkenntnissen würde ich sagen, dass die Amphipoden die Flügelschnecken entführen“, resümiert Havermans.

Das Verhalten mag wie eine kuriose Laune der Natur wirken – doch möglicherweise können Phänomene wie diese erhebliche Bedeutung in den komplexen Netzwerken der Lebewesen spielen, sagen die Forscher. „In Zukunft werden wir hoffentlich geeignete Unterwassertechnologien mit hochauflösenden Kameras nutzen können, damit wir auch die kleinsten Lebewesen in ihrem Lebensraum erforschen können. So würden wir einen besseren Eindruck von den vielen spannenden Geheimnissen interspezifischer Wechselwirkungen bekommen, die es in der Tiefe gibt – und sicher eine wichtige Rolle bei Räuber-Beute-Beziehungen spielen“, sagt Havermans.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Marine Biodiversity 2018. DOI: 10.1007/s12526-018-0916-3

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