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Leseraktion: Ihre Fragen zur Evolution

Erde|Umwelt

Leseraktion: Ihre Fragen zur Evolution
Die Experten für unsere Leseraktion sind Ulrich Kutschera, Professor für Evolutionsbiologie an den Universitäten Kassel und Stanford, Friedemann Schrenk, Leiter der Sektion Paläoanthropologie am Senckenberg-Institut in Frankfurt am Main und Axel Meyer, Professor für Zoologie und Evolutionsbiologie an der Universität Konstanz. Weitere Fragen und Antworten finden Sie in bild der wissenschaft 1/2009.

Thomas Lasar, Aschaffenburg, fragt:
Gibt es eine Evolutions-Geschwindigkeit? Wie wird sie gemessen?

Axel Meyer: Diese Geschwindigkeit kann man tatsächlich messen. Es gibt dafür verschiedene Methoden. Eine Maßeinheit ist das „Darwin“. Es misst die äußerlichen Veränderungen der Organismen im Verlauf der Zeit, also wie sich Fellfarbe, Blattgröße oder Knochenlängen über die Jahrmillionen verändern. 1 Darwin bedeutet dabei zum Beispiel eine Längenzunahme um den Faktor 2,718 in einer Million Jahren. Außerdem gibt es noch die „molekulare Uhr“. Mit ihr lassen sich die Unterschiede in der Sequenz von Genen messen. Man sequenziert zum Beispiel das Gen für Cytochrom C – ein kleines Protein aus den Mitochondrien – von Schimpansen und Menschen, berechnet die Unterschiede in der DNA, und dann eicht man diese „Uhr“ anhand von Fossilien des letzten gemeinsamen Vorfahren. Dann weiß man, um wie viel Prozent dieses Gen sich pro Jahrmillion verändert und kann damit wiederum den Zeitpunkt von Artentrennungen berechnen, von denen man keine Fossilfunde hat. Übrigens evolviert nicht jedes Gen gleich schnell. Manche haben mehr Freiheiten, Mutationen anzusammeln und dabei trotzdem weiter zu funktionieren, andere weniger. Auch die durchschnittliche „Lebensdauer“ von Arten kennt man: Bei Wirbeltieren sind es etwa 6 bis 10 Millionen Jahren.

Michael Brauner, 15 Jahre, (ohne Ortsangabe) fragt:
Wenn der Mensch in seiner heutigen Form wirklich die Spitze der Evolution sein soll, dann frage ich mich: Ist Gott vielleicht eine Küchenschabe? Denn die ist doch die wirkliche Spitze. Sie ist viel resistenter gegen atomare Verstrahlung und könnte extremen Klimawandel oder einen atomaren Supergau wahrscheinlich besser überstehen als wir.

Axel Meyer: Warum sollten wir die Spitze der Evolution sein? Na gut, kein andere Art hat wahrscheinlich das Aussehen der Erde so verändert wie wir, aber ich bezweifle sehr, ob wir in einer Million Jahre noch auf der Erde sein werden, wenn wir so weitermachen wie bisher. Die Küchenschabe wird es wahrscheinlich sein. Viele andere Arten sind viel erfolgreicher als wir: Sie leben schon viel länger als Homo sapiens auf der Welt oder es gibt viel mehr Individuen oder mehr Biomasse von ihnen. So etwas wie die Spitze der Evolution gibt es nicht, denn die Evolution ist kein zielgerichteter Vorgang, der irgendwohin läuft.

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Anneliese Drobny, Leipzig, fragt:
Könnten Forschungsergebnisse der Epigenetik einen Einfluss auf die Evolutionswissenschaft haben, vielleicht auch zu neuen Sichtweisen führen?

Axel Meyer: Mit der Epigenetik bezeichnet man das Phänomen, dass Organismen ihre Gene durch biochemische Veränderungen langfristig an- oder abschalten können – und diese epigenetische Programmierung der Gene auch an ihre Nachfahren weitergeben können. So kann zum Beispiel Hunger zu epigenetischen Veränderungen führen, die sich sogar noch im größeren Körpergewicht der Enkel bemerkbar machen. In der Evolutionsbiologie haben wir uns bisher nur mit der genetischen Vererbung beschäftigt. Ich glaube aber nicht, dass die Erkenntnisse über die Epigenetik zu einem Konflikt mit den bisherigen Ergebnissen der Evolutionsforschung führen wird. Die treibenden Kräfte der Evolution sind weiterhin in Mutation und Selektion der Gene zu finden. Aber die Epigenetik zeigt, wie flexibel einzelne Tiere mit ihrem genetischen Erbe umgehen können, um sich den herrschenden Umweltbedingungen besser anzupassen und dass dieses „Wissen“ sogar an ihre Nachfahren weitergeben können.

Kurt Lautermann, Saarbrücken, fragt:
Wenn nach Darwin der Stärkere sich fortpflanzt, lautet meine Frage: Gibt es Untersuchungen darüber, ob sich diese Tatsache auch auf das Geschlecht beim Menschen bezieht?

Ulrich Kutschera: Der Begriff Fitness führt immer wieder zu Missverständnissen. Der britische Philosoph Herbert Spencer hat ihn geprägt und Charles Darwin hat ihn in sein Buch über die Entstehung der Arten („On the Origin of Species“) übernommen. Er kommt vom englischen Wort „to fit“ und das heißt „passen, anpassen“. „Survival of the fittest“ bedeutet „Überleben des am besten an seine Umwelt Angepassten“. Es überleben somit vor allem jene Individuen in ihren Nachkommen, die durch eine bessere relative Anpassung an die Umwelt die meisten Kinder hinterlassen. Mit Fitness meinte Darwin „Lebenszeit-Fortpflanzungserfolg“ und nicht „physische Stärke“.

Helmut Kersten, Berlin, fragt:
Ist es möglich, aus komplexen chemischen Verbindungen einfaches Leben zu schaffen?

Ulrich Kutschera: Mehrere Forschungsgruppen arbeiten daran. Aber bislang ist solch eine Synthese noch nicht gelungen. Diese einfachen Zellen müssten mit einem Stoffwechsel ausgestattet sein und sich selbst vermehren können. Dann könnte man sie als lebendig bezeichnen. Teilerfolge gibt es bereits: Man kann einfache urtümliche Bakterien bereits durch DNA-Austausch-Experimente mit einem fremden Erbgut ausstatten. Der Weg zum künstlich geschaffenen Organismus wird möglicherweise über die Virusforschung zum Erfolg führen, da diese Protein-DNA-Komplexe eine Zwischenstufe zur Urzelle repräsentieren.

Stefan Winter, Stuttgart, fragt:
Lässt sich mit statistischen Methoden rückwärts extrapolieren, wie die Gen-Ausstattung der ersten entstandenen Zellen ausgesehen haben muss? Sind die heutigen Lebewesen (Tiere, Pflanzen, Pilze, Bakterien) aus nur einem oder mehreren Ur-Genomen entstanden?

Ulrich Kutschera: Es gibt bei allen Lebewesen, vom Bakterium bis zum Menschen, einen universellen Bestand von etwa 500 „unsterblichen Genen“, die vom letzten gemeinsamen Vorfahren, einer Gruppe urtümlicher Bakterien, geerbt wurde. Diese Urahnen aller Organismen der Erde sind als versteinerte Mikroben erhalten. Sie lebten vor etwa 3,5 Milliarden Jahren in den damals noch warmen Weltmeeren und waren mit dem Minimal-Genom der primitivsten Zelle ausgestattet. Tiere, Pflanzen und Pilze entstammen einer späteren gemeinsamen Urzelle. Sie ist vor etwa zwei Milliarden Jahren entstanden, als zwei urtümliche Mikroben im Ur-Ozean miteinander verschmolzen und so ihre Fähigkeiten vereinigten. Aus dieser „Endosymbiose“ sind alle Lebewesen, die einen Zellkern haben, hervorgegangen.

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