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Leuchtender Spürhund für Infektionen

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Leuchtender Spürhund für Infektionen
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Rotes Leuchten zeigt an, wo makriertes Antibiotikum den Erreger ausgemacht hat (Ed Lim)
Viele bakterielle Infektionen werden erst entdeckt, wenn es schon zu spät ist: Wenn sich die Erreger im Körper ausgebreitet haben und nur noch schwer zu bekämpfen sind. Besonders hoch ist die Infektionsgefahr dabei durch verunreinigte orthopädische Implantate. Eine neue Methode könnte nun helfen, verunreinigte Materialien, aber auch Infektionsherde im Körper frühzeitig zu entdecken: Ein mit einem fluoreszierenden Farbstoffverbundenes Antibiotikum dient dabei als leuchtender Spürhund. Es sammelt sich dort, wo die krankmachenden Keime sitzen und verrät so ihre Gegenwart.

Viele gefährliche Keime lauern ausgerechnet dort, wo man sie nicht vermuten würde – und wo die Patienten besonders anfällig sind: im Krankenhaus. Gerade dort wächst die Zahl der Infektionen durch resistente Keime. Aber auch Komplikationen und Entzündungen durch mit Bakterien verunreinigte künstliche Gelenke und andere Implantate nehmen zu. „Solche Infektionen kommen häufig vor, sind aber schwer zu diagnostizieren und zu behandeln“, erklären Marleen van Osten von der Universität Groningen und ihre Kollegen. Denn gerade bei Implantaten besteht das Risiko, dass die Bakterien darauf sogenannte Biofilme bilden: Die Mikroben umgeben sich dabei mit einer Schleimhülle, in der sie gut vor Medikamenten geschützt sind. Nach Schätzungen der Forscher sind immerhin rund fünf Prozent der bei Brüchen implantierten Metallteile infiziert, bei offenen Brüchen steige die Zahl sogar auf 30 Prozent.

Das Problem: Es fehlt bisher an Methoden, mit denen sich bakterielle Verunreinigungen an Materialien, aber auch Infektionen im Anfangsstadium nicht-invasiv und spezifisch erkennen lassen. Gängige Methoden, beispielsweise die Positronen-Emissions-  Tomografie (PET), können zwar Entzündungsherde im Körper aufspüren, wie die Forscher erklären. Sie haben aber meist eine nur geringe Auflösung und sind aufwändig. Zudem weisen sie nur unspezifisch nach,  dass eine Entzündung vorliegt – nicht aber, ob sie durch eine bakterielle Infektion hervorgerufen wird. Als Folge werden Infektionen, vor allem mit gefährlichen resistenten Krankenhauskeimen, oft erst spät erkannt.
 
Antibiotikum als leuchtender Spürhund

Van Osten und ihre Kollegen haben nun eine Methode vorgestellt und getestet, die hier Abhilfe schaffen könnte. Sie machten sich dafür die Tatsache zunutze, dass Antibiotika sich spezifisch mit bestimmten Bakteriengruppen verbinden. Als Folge reichert sich das Medikament überall dort im Körper oder auf einem Material an, wo sich auch die Erreger konzentrieren. Und genau das haben die Forscher für ihr neues Nachweisverfahren ausgenutzt. Sie ergänzten sie das gängige Antibiotika Vancomycin mit einem Fluoreszenz-Farbstoff, der leuchtet, wenn er mit Infrarotlicht bestrahlt wird. Dadurch lässt sich feststellen, wo im Körper oder auf einem Objekt sich das Medikament angereichert hat – und damit auch, wo Krankheitserreger vorhanden sind. Vancomycin reagiert dabei spezifisch auf sogenannte Gram-positive Bakterien, eine Gruppe, zu der neben dem gefürchteten Krankenhauskeim Staphylococcus aureus auch Krankheitserreger wie Listerien, Streptokokken und Enterokokken gehören.

Um das Verfahren am lebenden Organismus zu testen, injizierten die Forscher Mäusen eine kleine Menge von mit einem Leuchtmarker versehenen S. aureus in den Beinmuskel. Dadurch wurde an dieser Stelle eine lokale Entzündung ausgelöst. Anschließend erhielten die Tiere eine intravenöse Injektion mit dem markierten Antibiotikum. Nach 24 Stunden bestrahlten die Wissenschaftler die Mäuse und suchten nach den Leuchtsignalen der Fluoreszenzmarker. Dabei zeigte sich: Wie erhofft registrierte die Kamera nicht nur die Leuchtsignale der markierten Bakterien im Bein, sondern an der gleichen Stelle auch das starke Signal des dort angereicherten Vancomycins. Lösten die Forscher dagegen in einem weiteren Versuch eine sterile Entzündung durch implantierte kleine Kunststoffbällchen aus, reicherte sich kein Vancomycin an dieser Stelle an. Das belege, dass dieses Verfahren bakterielle Infektionen von sterilen unterscheiden könne – und das im lebenden Organismus, so die Forscher.

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Leuchtende Metallplatten im Leichenbein

Ob die Methode auch beim Menschen funktioniert, testeten van Osten und ihre Kollegen in einem etwas makabren Versuch – an Leichen. Diesen implantierten sie eine mit drei Schrauben befestigte Metallplatte am Schienbeinknochen – eine Methode, die in der Orthopädie zur Stabilisierung von komplizierten Brüchen verwendet wird. Ein Teil der Implantate war zuvor absichtlich mit dem Erreger Staphylococcus epidermidis  verunreinigt und dann mit dem markierten Vancomycin behandelt worden. Nach der Befestigung der Platte vernähten sie Forscher die Wunde wie bei einer normalen OP. Anschließend bestrahlten sie das Operationsfeld mit einem Fluoreszenzkamera-System. Das Ergebnis: Die mit den Bakterien verunreinigte und mit dem Vancomycin behandelte Platte leuchtete deutlich sichtbar auf. Dieses Signal war gut zu erkennen, obwohl das Implantat fast einen Zentimeter unter der Hautoberfläche lag, so die Forscher.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass das markierte Vancomycin einen Großteil der klinisch relevanten Gram-positiven Bakterien in vivo nachweisen kann“, konstatieren van Osten und ihre Kollegen. Besonders gut geeignet sei das Verfahren, um Materialien und Implantate schnell und einfach auf Keime zu untersuchen. Aber auch im lebenden Organismus lässt sich damit eine bakterielle Entzündung nachweisen. Wie die Forscher betonen, liegt der große Vorteil darin, dass Vancomycin schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird und gut verträglich ist. Und auch der mit dem Antibiotikum gekoppelte Farbstoff sei nicht giftig und werde bereits in klinischen Tests geprüft. Geräte zum Nachweis der Fluoreszenz seien zudem relativ günstig. Einen Haken allerdings hat die Methode noch: Bisher ist die Eindringtiefe begrenzt. Liegt der Entzündungsherd tiefer als einen Zentimeter unter der Körperoberfläche, dringt das Licht nicht mehr durch. Die Wissenschaftler hoffen hier auf eine Weiterentwicklung der Technik.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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