Die Schneebeschaffenheit bestimmt das Jagdglück und damit auch den Fortpflanzungerfolg kanadischer Luchse: Je fester die Schneedecke, desto besser können die Raubkatzen ihre Hauptbeute, die Schneeschuhhasen, verfolgen. Das entdeckte ein internationales Forscherteam, das neun Jahre lang Daten zu Schneebeschaffenheit und Anzahl von Luchsen und Hasen in Kanada sammelte. Über die Ergebnisse berichten Nils Stenseth von der Universität Oslo und seine kanadischen und amerikanischen Kollegen in der Fachzeitschrift PNAS (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0308674101).
Die Beziehung zwischen Luchs und Schneeschuhhase ist geprägt von einer starken Abhängigkeit: Gibt es viele Hasen, haben die Luchse genügend Futter und können sich stark vermehren. Mehr Luchse fressen jedoch auch mehr Hasen, so dass deren Zahl immer mehr dezimiert wird. Irgendwann haben die Raubkatzen dann nicht mehr genug Futter ? mit der Folge, dass ihre Zahl ebenfalls abnimmt. Ein solcher Zyklus aus Vermehrung und Rückgang der Populationsgröße dauert im Durchschnitt knapp zehn Jahre. Manchmal ist die Regelmäßigkeit jedoch gestört und die Hasen oder die Luchse vermehren sich plötzlich stärker als erwartet.
Nach den Ergebnissen von Stenseth und seinen Kollegen könnte das Wetter und damit die Schneebeschaffenheit der Grund für diese Abweichungen sein. Sind die Winter nämlich sehr kalt, bleibt der gefallene Schnee locker und flockig. Das ist gut für die Hasen, denn die Luchse sinken sehr tief in die Schneedecke ein, so dass die leichteren Schneehasen problemlos entkommen können. Wärmere Perioden im Winter begünstigen dagegen eher die Raubkatzen: Geschmolzener und wieder neu gefrorener Schnee ist fester und damit ein optimaler Untergrund für die schnellen Jäger.
Die Studie zeige, wie stark klimatische Bedingungen Ökosysteme beeinflussen können, schreiben die Forscher. Ein ungestörtes Verhältnis zwischen Luchs und Hase sei für den kanadischen Wald unverzichtbar: Würde beispielsweise der Schneehase als einer der Hauptpflanzenfresser verschwinden, hätte das nicht nur für die Raubtiere Konsequenzen, sondern würde wahrscheinlich auch die Zusammensetzung der Pflanzenwelt nachhaltig verändern.
ddp/bdw ? Ilka Lehnen-Beyel