Hunde ahmen eine beobachtete Tätigkeit nicht unüberlegt nach, sondern passen ihr Verhalten an die jeweiligen Bedingungen an: Wie österreichische Wissenschaftler bei Verhaltenstests herausgefunden haben, sind Hunde ähnlich wie Kleinkinder in der Lage, die wichtigsten Informationen einer Situation zu erkennen und zu bewerten. Dementsprechend kopieren Hunde eine Tätigkeit, die von ihrer normalen Handlungsweise abweicht, nur dann, wenn es die jeweiligen Gegebenheiten erfordern. Diese so genannte selektive Imitation galt bisher als eine Fähigkeit, die einzigartig für den Menschen ist. Die Forscher beobachteten nun diese Fertigkeit nach eigenen Angaben zum ersten Mal auch bei Tieren.
Die Testhunde bekamen die Aufgabe, eine mit Futter gefüllte Kiste zu öffnen, indem sie an einer Eisenstange ziehen. Normalerweise benutzen Hunde dabei ihr Maul, doch die Forscher trainierten eine Hündin so, dass sie die Stange mit der Pfote bewegte. Die anderen Hunde beobachteten die Hündin dabei und ahmten die neue Methode nach, um an das Futter zu gelangen. Hatte die Hündin jedoch einen Ball in ihrem Maul, benutzten die anderen Tiere nicht mehr ihre Pfote, sondern wieder ihr Maul.
Hunde imitieren also nicht blind das Verhalten ihrer Artgenossen, sondern beurteilen, ob es einen Sinn ergibt, schließen die Forscher: Im ersten Test sprach nichts dagegen, das neue, unvorteilhafte Vorgehen auszuprobieren und die Vierbeiner imitierten das Verhalten. Im zweiten Fall erkannten die Hunde jedoch, dass sich die neue Methode nur für die Hündin in ihrer speziellen Situation eignete und verzichteten auf eine Nachahmung.
Dieses Verhalten, das Biologen selektive Imitation nennen, gehört zu den wichtigen sozialen Kompetenzen des Menschen. Die neue Studie zeige nun bemerkenswerte Parallelen zwischen Hunden und Kleinkindern. Hunde seien in diesem Fall dem Menschen sogar ähnlicher als Schimpansen, so die Forscher. Die biologisch nächsten Verwandten des Menschen würden in ähnlichen Tests immer die effizienteste Methode wählen und Ungewohntes nicht kopieren. Die lange, intensive Beziehung zwischen Mensch und Hund könnte eine mögliche Ursache für dieses Phänomen sein, glauben die Wissenschaftler. Ob die Hunde dieses Verhalten auch nach einer längeren Zeitspanne noch zeigen, wollen die Forscher nun in weiteren Untersuchungen klären.
Friederike Range (Universität Wien) et al.: Current Biology, Bd. 17, Nr. 10 ddp/wissenschaft.de ? Claudia Hilbert