Dass sich zumindest einige unserer Vorfahren auch mit Neandertalern gekreuzt haben müssen, ist schon länger bekannt. Ein Anteil von rund zwei Prozent Neandertaler-Genen im Erbgut der heutigen Europäer zeugen von diesen prähistorischen Seitensprüngen. Erst im Januar 2014 wiesen Forscher dann nach, dass diese genetischen Relikte unseres eiszeitlichen Vetters keineswegs gleichmäßig über unser Genom verteilt sind. Wie sie feststellten, häufen sie sich unter anderem in DNA-Bereichen, die für unsere Haut- und Haarbeschaffenheit, aber auch für unser Immunsystem zuständig sind. Diese Erbstücke könnten unseren aus Afrika eingewanderten Vorfahren dabei geholfen haben, sich an das kalte Klima Europas und die hier vorkommenden Erreger anzupassen. Forscher um Ekaterina Khrameeva vom Zentrum für Bioinformatik in Moskau und Philipp Khaitovich vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig sind nun in einem weiteren Bereich fündig geworden.
Positive Selektion
Für ihre Studie verglichen die Forscher das Erbgut von elf heutigen Populationen mit dem der Neandertaler und – als Außengruppe – dem der Schimpansen. Neben fünf verschiedenen europäischen Volksgruppen gingen drei asiatische und drei afrikanische in die Untersuchung ein. In allen Genomen suchten die Forscher Stellen, an denen der genetische Code auffallend viele oder wenige Neandertaler-ähnliche Sequenzen aufwies. Neben einigen bereits bekannten Genorten zeigte sich bei den Europäern eine ungewöhnliche Häufung in den Erbgutbereichen, die den Fettabbau kontrollieren. „In diesen Bereichen hatten die Neandertaler-ähnlichen Gene einen Anteil von 20,8 Prozent“, berichten Khrameeva und ihre Kollegen. Noch geballter war das Erbe der Eiszeit-Menschen in den Unterbereichen, die für die Produktion von sechs fettabbauenden Enzymen verantwortlich sind.
„Es liegt nahe, dass die Neandertaler im Laufe der Zeit ihren Fettstoffwechsel so verändert hatten, dass ihnen dies beim Überleben unter den Umweltbedingungen im urzeitlichen Europa und Zentralasien half“, schreiben die Forscher. Möglicherweise halfen diese Enzyme ihnen dabei, die Fette der Nahrung besser aufzuspalten. Ihr Körper gewann so die Energie, die er im kalten Klima oder bei anstrengenden Jagden dringend brauchte. Als dann unsere Vorfahren aus Afrika nach Europa einwanderten, paarten sich einige mit den ansässigen Neandertalern – und ihre Nachkommen profitierten vom optimierten Fettabbau. Tatsächlich fanden die Forscher Anzeichen dafür, dass diese bis heute erhaltenen Gene sich im Laufe der Zeit im Erbgut sogar noch anreicherten – ein Anzeichen für eine positive Selektion. Diejenigen unter unseren Vorfahren, die diese Gene trugen, hatten offenbar Vorteile gegenüber ihren Mitmenschen.
Welche Wirkung die Neandertaler-Gene auch heute noch auf unseren Fettstoffwechsel haben, muss nun noch weiter untersucht werden. Der neue Fund unterstreicht aber erneut, dass unser eiszeitlicher Vetter einige Anpassungen an seine Umwelt besaß, von denen unsere Vorfahren profitierten – und die uns möglicherweise bis heute mit prägen.