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Neu beschriebenes Phänomen: Musikalische Anhedonie

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Neu beschriebenes Phänomen: Musikalische Anhedonie
14-03-06 Musikalische Anhedonie.jpg
Credit: Thinkstock
Von den Harmonien der Klassik über die Akkorde des Rock bis hin zu den Melodien des Musikantenstadls – in der breiten Palette der musikalischen Genres scheint jeder Mensch Klänge zu finden, die ihm Freude bereiten. Oder etwa doch nicht? Einem internationalen Forscherteam zufolge gibt es offenbar Menschen, denen Musik keinerlei positive Gefühle vermitteln kann, obwohl sie bei anderen Erfahrungen durchaus Freude empfinden können. Dieses Phänomen haben sie nun erstmals beschrieben und benannt: Musikalische Anhedonie – die völlige Lustlosigkeit gegenüber Musik.

Musikalität scheint in der Natur des Menschen tief verankert zu sein: Sie ist seit Urzeiten Teil aller Kulturen der Welt. Musik spielt in den Gesellschaften eine wichtige Rolle und wird bei Umfragen von vielen Menschen als wichtige Quelle von Freude genannt. Dies führte zu der Annahme, dass abgesehen von individuellen Unterschieden im Grad der Intensität prinzipiell jeder Mensch zu irgendeiner Art von Musikgenuss fähig ist. Die Forscher um Josep Marco-Pallarés von der Universität Barcelona und seine Kollegen haben diese These nun widerlegt.

Am Beginn der Studie standen Untersuchungen durch Fragebögen, bei denen Menschen einordnen sollten, welche Dinge oder Erfahrungen ihnen Freude bereiten und wie stark. Es zeigte sich, dass einige angaben, durch Musik nicht stimuliert zu werden. Gleichzeitig waren sie aber durch andere Erfahrungen durchaus in der Lage, Freude zu empfinden. Es wäre allerdings möglich gewesen, dass diese Personen unter der bereits bekannten Amusie litten. Es handelt sich dabei um die Unfähigkeit, trotz intakter Sinnesorgane, Tonfolgen oder Rhythmen zu erkennen und diese vokal oder instrumental wiederzugeben. Möglich wäre auch gewesen, dass die Probanden bei ihren Angaben ihre Fähigkeit zum Musikgenuss schlicht unterbewertet hatten. Deshalb entschlossen sich die Forscher, der Frage noch einmal empirisch nachzugehen.

Jegliche Musik lässt sie kalt

Marco-Pallarés und seine Kollegen führten dazu Experimente mit gesunden Probanden durch, die sich der Fragebogen-Studie entsprechend drei Kategorien zuordnen ließen: Ausgesprochene Musikliebhaber, durchschnittliche Musik-Genießer und möglicherweise völlig musikalisch unreizbare Personen. Amusie wurde durch Tests bei allen Teilnehmern ausgeschlossen. Um herauszufinden, ob alle generell zu Glücksempfindungen fähig sind, führten die Forscher mit ihnen Spiele durch, bei denen die Probanden Geld gewinnen konnten. Es ist bekannt, dass Gewinne beim Durchschnittsmenschen freudige Emotionen auslösen. Dabei schüttet das Gehirn „Glücks-Botenstoffe“ aus und das Nervensystem reagiert mit angenehmen Empfindungen. Das gleiche gilt normalerweise auch bei Musikgenuss.

Inwieweit dies bei den Probanden der Fall war, überprüften die Forscher, indem sie ihnen verschiedene Musikstücke vorspielten, die normalerweise Freude auslösen. Die Teilnehmer konnten zusätzlich auch selbst Musiktitel auswählen. Sowohl bei den Glücksspiel-Experimenten als auch beim Musikhören erfassten die Forscher den emotionalen Zustand der Probanden durch Messungen der Leitfähigkeit der Haut und Schwankungen der Herzrate.

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Die Auswertungen dokumentierten: Manche ansonsten gesunde und fröhliche Menschen empfinden bei Musik tatsächlich keinerlei Freude – alle Klänge lassen sie kalt, obwohl sie generell Rhythmusgefühl besitzen und Tonfolgen erfassen können. Geldgewinne erfreuen sie hingegen, was zeigt, dass ihr neuronales Belohnungssystem prinzipiell in Takt ist. Den Forschern zufolge ist dieser Befund auch für die Musikforschung interessant: „Die Identifikation von Personen mit Musikalischer Anhedonie könnte für Forschungen zum Verständnis der neuronalen Grundlagen der Wahrnehmung von Musik wichtig sein“, sagt Marco-Pallarés. So könne man vielleicht herausfinden, wie sich bei Musikfreunden Noten und Takt in Emotionen verwandeln.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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