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Neue Haare aus dem Labor

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Neue Haare aus dem Labor
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Fluoreszenzaufnahme eines Haarfollikels (Claire Higgins/Christiano Lab at Columbia University Medical Center)
Für viele Männer ist eine schwindende Haarpracht ein harter Schlag. Sie fürchten, dass die Geheimratsecken und der kahle Oberkopf sie älter machen und weniger attraktiv. Auch wenn Haarwässerchen und andere Mittel damit werben, gegen den Haarverlust zu wirken – der erblich bedingte Haarausfall lässt sich nicht stoppen. Um ihren jugendlichen Look zu wahren, entscheiden sich daher einige Männer zu einer Haartransplantation. Das aber funktioniert nur, wenn noch genügend gesunde Haare vorhanden sind, um verpflanzt zu werden. Doch es gibt neue Hoffnung: Einem internationalen Forscherteam ist es nun erstmals gelungen, neue Haarfollikel zu züchten und zu vermehren.

Alle unsere Haare haben ihren Ursprung in Haarfollikeln, einer speziellen Gruppe von Zellen, die die Haarwurzeln umgibt und für ihr Wachstum sorgt. Diese Follikel entstehen schon vor der Geburt aus Hautpapillen – zapfenartigen Vorwölbungen der Lederhaut in die Oberhaut. Einmal gebildet, müssen diese Haarwuchszentren im Regelfall unser gesamtes Leben hindurch funktionieren. „Eine Neubildung von Haarfollikeln bei Erwachsenen gibt es nur unter ganz extremen Bedingungen, beispielsweise bei manchen Wunden“, erklären Claire Higgins von der Columbia University in New York und ihre Kollegen. Und genau das ist das Problem: Hören die Haarfollikel auf, Haare zu produzieren, wie beim erblichen Haarausfall, dann gibt es keinen Ersatz. Denn bisher sind alle Versuche gescheitert, Haarfollikel aus den Hautpapillen im Labor neu zu züchten oder sie zu klonen, wie die Forscher berichten. Der Grund dafür:  Sobald die Hautpapillen in konventionelle zweidimensionale Zellkulturen gesetzt werden, werden sie zu ganz normalen Hautzellen und verlieren ihre Fähigkeit, Haarfollikel zu bilden.

Seltsamerweise besteht dieses Problem bei Nagetierharen nicht: Werden ihnen Hautpapillen entnommen und in Zellkulturen vermehrt, bilden sie neue Haarfollikel, sobald sie in haarfreie Hautpartien eingepflanzt werden. Und es gibt noch einen Unterschied: Die in Kultur gehaltenen Ratten- oder Mäusezellen neigen dazu, sich spontan zu Klumpen zusammenzulagern. Aus diesen Klumpen dann entstehen die Follikel. Menschliche Hautpapillen aber zeigen dieses Verhalten nicht. Das brachte Higgins und ihre Kollege auf die entscheidende Idee: Möglicherweise war es die fehlende Verklumpung, die die menschlichen Hautzellen an der Follikelbildung hinderte. „Wenn wir nun menschliche Hautpapillen so kulturvieren würden, dass sie sich zusammenlagern müssen, ähnlich wie die Nagerzellen, dann könnte dies die Bedingungen schaffen, die wir brauchen um Haarfollikel zu erzeugen“, so ihre Vermutung.

Klumpen werden zu neuen Follikeln

Um das zu testen, entnahmen die Forscher sieben menschlichen Spendern einige Hautpapillen und vermehrten diese Zellen in Kultur. Die Besonderheit dabei: Statt auf herkömmlichen Nährmedien hielten sie die Zellen in einer Art Kultursäckchen – tropfenförmigen Ausstülpungen, in denen jeweils Zellklumpen von rund 3.000 Zellen heranwuchsen. Diese Klumpen implantierten die Forscher anschließend in ein Stück haarlose menschliche Haut, das zuvor Mäusen auf den Rücken verpflanzt worden war. „Erstaunlicherweise beobachteten wir nach sechs Wochen, dass in diesem Hautstück neue Haarfollikel entstanden waren“, berichten die Forscher. In fünf der sieben Transplantationen produzierten diese Haarfollikel auch neue Haare. „Das demonstriert, dass solche dermalen Kugelkulturen dazu fähig sind, in von Natur aus haarloser Haut die Haarbildung zu initiieren – obwohl es darin zuvor keine Haarfollikel gab“, konstatieren Higgins und ihre Kollegen.

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Noch waren die so erzeugten Follikel eher klein und nicht alle schafften es, neue Haare zu erzeugen. Aber die Forscher sind dennoch zuversichtlich, dass ihnen damit ein wichtiger Schritt zu einer Wiederherstellung verloren gegangenen Haarwuchses gelungen ist. „Dieser Ansatz hat das Potenzial, die medizinische Behandlung für den Haarverlust zu transformieren“, sagt Angela Christiano von der Columbia University. Bisherige Therapien können den Verlust von Haarfollikeln höchstens verlangsamen. Haartransplantationen kommen nur für einige Patienten in Betracht. Doch die neue Methode könne neue Follikel aus nur ein paar eigenen Hautzellen der Patienten erschaffen. „Das könnte auch Patienten mit nur noch wenigen funktionsfähigen Haarfollikeln helfen, darunter auch Frauen mit Haarausfall und Patienten mit großflächigen Verbrennungen“, so Christiano. Zwar sei noch einiges zu klären, bevor die Methode an Menschen getestet werden kann. Doch die Forscher hoffen, schon in naher Zukunft die ersten klinischen Studien beginnen zu können.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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