Das Nördliche Breitmaulnashorn steht kurz vor dem Aussterben – nur eine künstliche Befruchtung kann die Unterart noch retten. Für diese ambitionierte Mission erzeugten Forscher zuletzt zwei Embryos aus Eizellen der letzten beiden noch lebenden Kühe und konserviertem Sperma verstorbener Bullen. Nun berichten sie von einem weiteren Erfolg: der Erzeugung eines dritten Embryos. Die Chancen auf Nachwuchs für die Dickhäuter erhöhen sich damit erheblich. Trotzdem ist es nur ein Zwischenerfolg, wie das Team betont.
Als Nashornbulle „Sudan“ im März 2018 starb, schien alle Hoffnung für das Nördliche Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum cottoni) verloren. Denn der zuletzt in Kenia heimische Sudan war der letzte männliche Vertreter dieser Unterart – zurück blieben nur noch seine Tochter „Najin“ und seine Enkelin „Fatu“. Die majestätischen Tiere waren damit praktisch ausgestorben. Aber Artenschützer hatten eine Idee, wie sich dieses traurige Schicksal doch noch abwenden lassen könnte: mithilfe künstlicher Befruchtung. Ihr Plan war, den beiden verbleibenden Kühen Eizellen zu entnehmen und diese im Reagenzglas mit dem eingefrorenen Sperma verstorbener Bullen zusammenbringen. Austragen sollte die Embryos dann ein Südliches Breitmaulnashorn. Denn Najin ist zu alt, um selbst ein Kalb auszutragen und bei Fatu stehen gesundheitliche Probleme einer Schwangerschaft im Weg.
Ein dritter Embryo
Inzwischen sind die ersten Schritte der Rettungsidee in die Tat umgesetzt worden: Im Rahmen des Forschungsprojekts „BioRescue“ gelang es Forschern im August 2019, zwei Nördliche Breitmaulnashorn-Embryos zu erzeugen. Nun hat das Team diese Prozedur erfolgreich wiederholt – und einen weiteren Embryo erschaffen. Mithilfe eines selbst entwickelten Spezialgeräts entnahmen die Wissenschaftler dafür zunächst neun unreife Eizellen von Najin und Fatu. Nach der Inkubation und Reifung konnten insgesamt fünf dieser Eizellen mit einem Spermium befruchtet werden. Eine befruchtete Eizelle von Fatu entwickelte sich schließlich zu einem lebensfähigen Embryo. Dieser dritte Embryo lagert jetzt sicher in flüssigem Stickstoff und erhöht die Chancen auf Nachwuchs für die Dickhäuter erheblich. „Wir wissen nicht, wie viele Embryos wir für eine erfolgreiche Geburt benötigen. Deshalb ist jeder Embryo so wichtig“, erklärt Projektmitarbeiter Jan Stejskal vom tschechischen Zoo Dvur Králové.
„Unser erneuter Erfolg bei der Erzeugung von Embryos aus Eizellen von Fatu zeigt, dass das BioRescue-Programm auf dem richtigen Weg ist. Nun wird das Team alles daran setzen, das gleiche Ergebnis auch für die 30-jährige Najin zu erreichen, bevor es für sie zu spät ist“, sagt Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Auch Hon Najib Balala vom kenianischen Ministerium für Tourismus und Natur zeigt sich erfreut über den Zwischenerfolg: „Die kenianische Regierung ist glücklich darüber, dass das In-vitro-Fertilisationsprojekt so erfolgreich ist und drei reine Nördliche Breitmaulnashorn-Embryos erzeugen konnte. Diese können in der kommenden Zeit in Leihmütter eingesetzt werden.“
Wettlauf gegen die Zeit
Die Vorbereitungen für die nächsten Schritte der Mission zur Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns laufen bereits auf Hochtouren. Parallel zur Erzeugung weiterer Embryos wird aus einer Gruppe Südlicher Breitmaulnashörnern aus Kenia derzeit ein passendes Weibchen als Leihmutter ausgewählt. Um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen, stützt sich das BioRescue-Team dabei auf seine bisherigen Erfahrungen im Embryotransfer bei Südlichen Breitmaulnashörnern in europäischen Zoos. Bis einer der kostbaren Embryos von Fatu im Mutterleib einer Nashornkuh heranwachsen kann, ist allerdings noch weitere Forschung nötig. Trotz allem hoffen die Wissenschaftler, ihr Ziel zeitnah erreichen zu können: „Noch im Jahr 2020 wollen wir einen Embryo in eine erste Leihmutter übertragen“, erklärt Hildebrandt.
Sein für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlicher Kollege Steven Seet betont die wichtige Rolle, die auch die Öffentlichkeit für den Artenschutz spielt: „Es ist überwältigend, wie viele Medien und Menschen uns in den vergangenen Monaten gezeigt haben, dass ihnen die Natur am Herzen liegt. Wir hoffen, dass sich Unterstützer direkt mit uns in Verbindung setzen, um uns bei dem Wettlauf gegen die Zeit zu helfen. Wir wollen die Nördlichen Breitmaulnashörner vor dem Aussterben retten.“
Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V.