Wie Ribosom und DNA allerdings zusammenarbeiten können, um die in der Basenabfolge des Erbmaterials gespeicherten Informationen in eine Aminosäurekette umzusetzen, bliebt rätselhaft ? schließlich befindet sich die DNA im Kern der Zelle und die Ribosomen außerhalb im Zytoplasma. Die Antwort wurde zu Beginn der 1960er Jahre gefunden: Eine Abschrift aus RNA, mRNA genannt, fungiert als Bote, sie wandert aus dem Kern heraus und wird von den Ribosomen eingefangen. Eine Entdeckung mit weitreichenden Folgen: Mit Hilfe dieses Wissens, einer künstlichen mRNA und aus einer Zelle isolierten Ribosomen konnte der Prozess im Reagenzglas nachgeahmt und so der genetische Code und die grundsätzliche Funktion des Ribosoms entschlüsselt werden.
Das Ribosom, stellte sich dabei heraus, liest die Bausteine der mRNA in Dreiergruppen, von denen jede für eine Aminosäure steht. Dazu nutzt es die Dienste eines weiteren kleinen RNA-Moleküls, der sogeannten Transfer- oder tRNA: Diese besitzt auf der einen Seite das Gegenstück zu jeweils einer bestimmten Dreiergruppe und auf der anderen Seite die entsprechende Aminosäure. Doch trotz dieser Entdeckungen blieb das Bild des Ribosoms eher schemenhaft. James Watson, einer der beiden Nobelpreisträger, die die Struktur der DNA entschlüsselten, formulierte es 1964 so: “Unglücklicherweise können wir auf der chemischen Ebene nicht genau beschreiben, wie ein Molekül funktioniert, solange wir seine Struktur nicht kennen”. Im Fall des Ribosoms sollte es noch bis zum Jahr 2000 dauern, bis die Aufklärung der Struktur endlich gelang.
Die ersten Schritte in diese Richtung machte Ada Yonath Ende der 70er Jahre: Sie versuchte, Ribosom-Kristalle herzustellen, die schließlich mit Hilfe von Röntgenstrahlen untersucht werden sollten. Das Problem: Ein Ribosom ist ein immens komplexes Gebilde aus einer großen und einer kleinen Untereinheit. Die kleine Einheit besteht bereits aus einem großen RNA-Molekül und 32 Proteinen, die große enthält weitere drei RNA-Moleküle und 46 Proteine. Insgesamt handelt es sich also um tausende von Nukleotiden und tausende von Aminosäuren, die wiederum jeweils aus Hunderttausenden von Atomen bestehen. Für eine Röntgenstrukturanalyse, bei denen die Position jedes einzelnen dieser Atome bestimmt werden soll, werden jedoch extrem reine, perfekte Kristalle benötigt ? und diese anzufertigen, erforderte verschiedene Tricks, die Zusammenarbeit der drei Preisträger und viele Jahre Arbeit.
Und selbst, als die Kristalle tatsächlich eine ausreichende Qualität hatten, mussten die Wissenschaftler, insbesondere Thomas Steitz, noch verschiedene Umwege machen, um die Informationen aus dem Röntgenmuster herauslesen zu können, die sie haben wollten. Schließlich, im Jahr 2000, veröffentlichten Steitz und das Team Yonath und Ramakrishnan fast zeitgleich Kristallstrukturen mit einer Auflösung, die die Lokalisation einzelner Atome ermöglichte ? Steitz die der großen Untereinheit des Ribosoms aus einem bakteriellen Bewohner des Toten Meers und das Team Yonath/Ramakrishnan die der kleinen Untereinheit eines Bakterium aus heißen Quellen.
Mit diesen Daten konnten dann erstmals die Funktionen der einzelnen Untereinheiten bis ins Detail aufgeklärt werden, beispielsweise, wie die kleine Einheit es schafft, so hohe Präzision bei der Proteinproduktion zu erreichen oder wie die große Einheit nach und nach die neugebildeten Proteine zusammenbaut. Zudem ist es allen drei Preisträgern gelungen, zu zeigen, wie verschiedene Antibiotika an das Ribosom von Bakterien andocken ? eine Erkenntnis, die bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe von unschätzbarem Wert ist.
Insgesamt, so schreibt das Nobelkomitee, bringe das Verstehen von Struktur und Funktion des Ribosoms einen großen und direkten Nutzen für die Menschheit mit sich. Die Entdeckungen, die die drei jetzt ausgezeichneten Wissenschaftler gemacht haben, seien sowohl für das Verständnis, wie die Kernprozesse des Lebens funktionieren, als auch für das Retten von Leben wichtig.