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Nordamerika hat drei Milliarden Vögel verloren

Erde|Umwelt

Nordamerika hat drei Milliarden Vögel verloren
Abendkernbeißer
Auch der zu den Finken gehörende Abendkernbeißer ist betroffen. (Bild: Jay McGowan/ Macaulay Library at Cornell Lab of Ornithology)

Das Artensterben ist längst in unserem Alltag angekommen. Denn betroffen sind nicht mehr nur seltene und exotische Spezies, sondern auch die Tiere und Pflanzen vor unserer Haustür. Das unterstreicht nun eine alarmierende Studie aus Nordamerika. Denn dort sind die Vogelpopulationen seit 1970 um knapp ein Drittel geschrumpft, wie Forscher ermittelten. Dadurch gibt es heute in den USA und Kanada fast drei Milliarden Vögel weniger als noch vor knapp 50 Jahren. Betroffen sind von diesem Rückgang auch häufige Arten wie Spatzen, Sänger, Finken und Schwalben.

Der Mensch hat die Natur unseres Planeten drastisch verändert – es gibt kaum noch Landstriche, die nicht die Spuren unserer Präsenz zeigen. Das jedoch hat Folgen für die Artenvielfalt, wie erst im Mai 2019 ein Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) unterstrich. Demnach sind derzeit rund eine Million Tier- und Pflanzenarten akut vom Aussterben bedroht – mehr als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Im Jahr 2017 sorgten deutsche Biologen für Aufsehen, als sie einen drastischen Rückgang der Insekten in Deutschland feststellten – die Biomasse fliegender Insekten hat demnach in den letzten 27 Jahren um drei Viertel abgenommen. Und auch bei den einst so häufigen Feldvögeln zeigt sich ein alarmierender Rückgang: Seit 1980 ist in Europa mehr als die Hälfte der Feldvögel verschwunden, wie Anfang dieses Jahres eine Studie aufzeigte.

Knapp drei Milliarden Vögel weniger

Eine weitere Hiobsbotschaft überbringen nun Kenneth Rosenberg von der Cornell University in Ithaca und seine Kollegen. Sie hatten untersucht, wie sich die Populationen von 529 Vogelarten in Nordamerika seit 1970 verändert haben. Dafür werteten sie Zählungen und Beobachtungsstudien der letzten 48 Jahre aus nahezu allen Regionen der USA und Kanadas aus. Zusätzlich nutzten sie Daten eines Netzwerks von 143 Radarstationen, um die Veränderungen in der Dichte und Menge der Zugvogelschwärme von 2007 bis 2017 zu ermitteln.

Das Ergebnis ist erschreckend: Seit 1970 hat die Zahl der Vögel in Nordamerika um 29 Prozent abgenommen. Ähnlich deutliche Rückgänge zeigen sich beim Vogelzug: Die Dichte und Größe der nächtlichen Schwärme hat in den zehn Jahren seit 2007 um knapp 14 Prozent abgenommen. „Unsere Studie dokumentiert damit eine schon länger anhaltende aber bisher übersehene Biodiversitätskrise in Nordamerika – den Verlust von fast drei Milliarden Vögeln verteilt über nahezu die gesamte Avifauna“, konstatieren Rosenberg und seine Kollegen. Besonders drastisch sind ihrer Analyse nach die Rückgänge bei den Feld- und Wiesenvögeln: Ihre Bestände haben sich seit 1970 halbiert, wie Rosenberg und sein Team berichten. Aber auch die Zahl der Waldvögel ist um mehr als eine Million Tiere zurückgegangen. „Wasservögel und Vögel der Feuchtgebiete repräsentieren das einzige Biom, in dem die Vogelzahl insgesamt zugenommen hat“, so die Forscher. Allerdings reicht dies bei weitem nicht aus, um die Verluste in anderen Lebensräumen wettzumachen.

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(Video: American Bird Conservancy)

Auch Spatzen, Finken und Co sind betroffen

Ein so massiver und verbreiteter Vogelschwund kam selbst für die Wissenschaftler überraschend: „Wir haben erwartet, bei den bedrohten Arten einen Rückgang zu finden“, sagt Rosenberg. „Aber die Ergebnisse zeigten durchgängig Verluste auch bei häufigen Vogelarten in allen Lebensräumen, darunter den gängigen Hinterhofarten.“ So sind unter den zwölf am stärksten betroffenen Vogelfamilien auch Sperlinge, Sänger, Finken und Drosseln. Doch gerade diese „Allerweltsvögel“ spielen in der Natur eine besonders wichtige Rolle: „Diese weitverbreiteten und häufigen Spezies könnten überproportional einflussreiche Komponenten der Nahrungsnetze und Ökosystemfunktion sein“, erklären die Forscher. Der Schwund auch bei vielen Generalisten unter den Vögeln und sogar bei eingeführten Arten spreche zudem dafür, dass die verschwundenen Vogelarten nicht einfach durch andere ersetzt werden, die besser mit den vom Menschen veränderten Landschaften klarkommen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler sind ihre Ergebnisse ein alarmierender Weckruf – und eine Bestätigung von ähnlichen Trends in Europa und anderswo. Zwar kann ihre Studie nicht aufzeigen, woran der drastische Rückgang der Vogelpopulationen liegt. Rosenberg und sein Team halten es aber für wahrscheinlich, dass vor allem der Verlust von Lebensräumen durch Landwirtschaft und Urbanisierung dafür verantwortlich ist. Aber auch der Einsatz von Pestiziden und der damit verbundene Schwund der Insekten spielt vermutlich eine Rolle. „Wir müssen diese Bedrohung dringend angehen“, mahnt Co-Autor Peter Marra von der Georgetown University in Washington DC. „Zum einen, weil die Dominoeffekte Ökosysteme zerstören können, von denen unsere eigene Gesundheit und unser Überleben abhängen. Zum anderen aber, weil Menschen auf der ganzen Welt Vögel lieben – können Sie sich eine Welt ohne Vogelgesang vorstellen?“

Quelle: Kenneth Rosenberg (Cornell University, Ithaca) et al., Science, doi: 10.1126/science.aaw1313

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