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Panzereffekt bei Wurzeln entdeckt

Potenzial für die Landwirtschaft

Panzereffekt bei Wurzeln entdeckt
Das neu beschriebene Merkmal „MCS“ zeichnet sich durch kleine Zellen mit dicken Wänden direkt unter der Wurzeloberfläche aus. (Bild: Hannah Schneider, Penn State)

Durch kleine versteifte Zellen können sie besser eindringen: Ein bisher unbekanntes Merkmal von Wurzeln ermöglicht es Getreidepflanzen, harte Böden tiefer zu erschließen, berichten Forscher. Pflanzen, die diese Veranlagung besitzen, können dadurch aus verdichteten Böden besser Wasser und Nährstoffe ziehen, zeigen die Untersuchungen. Auf dieses Merkmal gezüchtete Nutzpflanzen könnten somit die Erträge in den zunehmend von Bodenverdichtung betroffenen Regionen der Welt steigern, sagen die Wissenschaftler.

Die Böden der Welt bilden die Grundlage des Lebens an Land: Sie ermöglichen das Pflanzenwachstum und damit die Produktion der terrestrischen Biomasse sowie der Nahrungsmittel für Tier und Mensch. Verschiedene Faktoren prägen die Fruchtbarkeit von Böden – ein besonders wichtiger ist dabei der mechanische Widerstand. Ist der Boden hart und verdichtet, gibt es wenig Poren, die eine Wasseraufnahme und -speicherung ermöglichen sowie Wurzeln Wachstumsmöglichkeiten bieten. „Verdichteter Boden limitiert die Produktivität von Pflanzen, da er die Erkundung tieferer Bodenschichten einschränkt, was wiederum den Zugang zu Nährstoffen und Wasser begrenzt“, erklärt Hannah Schneider von der Pennsylvania State University in University Park. Es gibt allerdings Pflanzenarten und -sorten, deren Wurzeln auch harte Böden vergleichsweise gut durchdringen und tiefer nutzen können. Sie sind somit letztendlich bei Trockenheit oder geringer Bodenfruchtbarkeit leistungsfähiger.

Ein neues Merkmal zeichnet sich ab

Auf welchen Grundlagen diese Fähigkeiten beruhen, ist allerdings noch immer nicht vollständig verstanden. Diesem Forschungsthema widmen sich Schneider und ihre Kollegen. Im Rahmen ihrer aktuellen Studie lag der Fokus auf der Untersuchung der physiologischen Merkmale der Wurzeln bei verschiedenen Genotypen von Mais und Weizen im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Fähigkeit zur Durchwurzelung von harten Böden. Bei Experimenten in Gewächshäusern und im Freiland wurden die Pflanzen bei unterschiedlicher Bodenverdichtung kultiviert. Anschließend wurde ihre Fähigkeit zur Durchdringung erfasst und auch die damit zusammenhängende Biomassebildung. Durch moderne Analysemethoden gewannen die Forscher dann Einblicke in die Feinstrukturen der Wurzeln sowie in deren mechanische Belastbarkeit.

So konnte das Team zeigen: Pflanzen mit besonders leistungsfähigen Wurzeln bilden ein Merkmal aus, das die Wissenschaftler als Multiseriates Morticales Sclerenchyma (MCS) bezeichnen. Es handelt sich um ein Festigungsgewebe direkt unter der Oberfläche der Wurzeln, das sich durch besonders kleine Zellen mit dicken Wänden auszeichnet. Entsprechende Wurzeln besitzen auch eine höhere Konzentration an Lignin, berichten die Forscher. Dabei handelt es sich um ein komplexes organisches Polymer, das bei der Bildung von Zellwänden besonders in Holz- und Rindengeweben wichtig ist und sie stabil macht.

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Mehr Lignin verleiht auch den MCS-Wurzeln eine höhere Zugfestigkeit und ermöglicht ihnen eine größere Biegekraft im Bereich der Wurzelspitze im Vergleich zu Nicht-MCS-Genotypen, zeigten die Untersuchungen. Dies ist bei der Penetration von harten Bodenschichten besonders vorteilhaft, erklären die Forscher. Bei den Maisgenotypen mit MCS reichten die Wurzelsysteme dadurch um 22 Prozent tiefer in den verdichteten Böden als bei den Linien ohne das Merkmal. Die damit verbundene Optimierung der Nutzung von Nährstoffen und Wasser spiegelte sich auch im oberirdischen Wachstum wider: Die Pflanzen entwickelten eine um 39 Prozent höhere Sprossbiomasse, ergaben die Auswertungen.

Potenzial für die Pflanzenzucht

„Wir haben MCS nun bereits bei Linien von Mais, Weizen, Gerste und anderen Getreidearten nachgewiesen. Dies deutet darauf hin, dass MCS bei verschiedenen Arten analog vorkommen könnte und somit ein wichtiges Merkmal für Stresstoleranz und höhere Erträge bei Getreidekulturen darstellt“, sagt Schneider. Die Forscher haben auch bereits Hinweise auf die genetischen Grundlagen des Merkmals entdeckt. Daraus geht hervor, dass eine gezielte Selektion auf das Merkmal im Rahmen von Zuchtprogrammen möglich ist.

Vor allem Maispflanzen, die in harten Böden tiefer wurzeln können, besitzen das Potenzial, die Ernährungslage in problematischen Regionen zu verbessern, sagen die Wissenschaftler. Das gilt vor allem angesichts des sich verändernden Klimas, das weite Gebiete der Welt anfälliger für Trockenheit macht. „Die Entdeckung verheißt Gutes für die globale Landwirtschaft, denn das Merkmal erhöht die Trockentoleranz, die Stickstoffeffizienz und damit die Kohlenstoffbindung“, sagt Co-Autor Jonathan Lynch von der University of Nottingham in Leicestershire. „Die Züchtung auf dieses Merkmal könnte somit auch bei der Entwicklung neuer Nutzpflanzen für den Klimaschutz hilfreich sein“, so der Forscher.

Quelle: Pennsylvania State University, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2012087118

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