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Pestizide: Noch die Urenkel werden krank

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Pestizide: Noch die Urenkel werden krank
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Ein Landwirt beim Spritzen eines Pestizids (thinkstock)
Dass Pestizide eine Vielzahl von gesundheitlichen Schäden verursachen und vor allem das Hormonsystem stören, ist schon länger bekannt. Einige dieser sogenannten endokrinen Disruptoren sind daher inzwischen verboten. Doch wie sich jetzt zeigt, ist das Thema damit noch lange nicht erledigt: Versuche mit Ratten belegen nun, dass das bis vor kurzem weit verbreitete Pestizid Methoxychlor noch bis in die dritte Generation hinein Krankheiten fördert. Schon wenige Tage einer durchaus realistischen Dosis reichten aus, um bei Kindern und Urenkeln der belasteten Ratten vermehrt Nieren- und Eierstock-Krankheiten, sowie Übergewicht auszulösen. Nähere Untersuchungen enthüllten auch, wie diese Weitergabe der krankmachenden Wirkung erfolgt: Das Pestizid löst Veränderungen am Erbgut aus, die an die Nachkommen vererbt werden.

Das Pflanzenschutzmittel Methoxychlor wurde 1943 als Ersatz für das noch giftigere DDT eingeführt und wurde vor allem in Europa und den USA, aber auch anderswo weit verbreitet eingesetzt. Vor gut zehn Jahren mehrten sich die Hinweise auf seine giftige und hormonstörende Wirkung und Methoxychlor wurde 2002 in der EU und 2003 in den USA nicht mehr als Insektizid zugelassen. In anderen Regionen der Welt wird es jedoch nach wie vor eingesetzt. Allerdings: Von einigen anderen Pestiziden, darunter auch DDT, ist bekannt, dass sie nicht nur bei direktem Kontakt, sondern auch noch in folgenden Generationen gesundheitliche Folgen auslösen können. DDT beispielsweise erhöht das Risiko für Übergewicht noch bei den Kindern, wie Tierversuche mit Mäusen zeigen. Mohan Manikkam von der Washington State University in Pullman und seine Kollegen haben daher nun untersucht, ob auch das früher sehr verbreitete Methoxychlor diese Art von generationsübergreifenden Spätfolgen hinterlassen haben könnte.

Für ihre Studie setzten sie weibliche Ratten nur sechs Tage lang, während der Reifung ihrer Eizellen, einer Konzentration von 200 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht Methoxychlor aus. “Dies liegt in dem Bereich einer realistisch hohen Umweltbelastung durch dieses Mittel”, erklären die Forscher. Die Nachkommen dieser Ratten wurden miteinander gekreuzt, aber selbst keiner Pestizidbelastung mehr ausgesetzt. Wie sich zeigte, löste die Pestizid-Exposition weder bei den Rattenweibchen selbst noch bei ihren Nachkommen auf den ersten Blick Vergiftungen aus. Bei näherer Untersuchung aber fanden sich bei den Kindern und sogar den Urenkeln der Methoxychlor-belasteten Ratten deutliche Gesundheitsfolgen: Die Häufigkeit von Nierenkrankheiten stieg signifikant an, wie die Forscher berichten. Bei den weiblichen Nachkommen der ersten und dritten Generation häuften sich zudem Zysten in den Eierstöcken und die Zahl der befruchtungsfähigen Eizellen nahm deutlich ab. Generell erwiesen sich die Nachkommen der Pestizid-belasteten Ratten als signifikant krankheitsanfälliger.

Weitergabe über Generationen hinweg

“Das demonstriert, dass das Pestizid Methoxychlor Krankheiten noch bis in die dritte Folgegeneration auslösen kann”, konstatieren die Forscher. Analysen des Erbguts der Ratten zeigten auch, wie dies geschieht: An der DNA der Kinder und auch Urenkel der Rattenweibchen fanden sich vermehrt Anlagerungen, die das Ablesen einiger Gene verhinderten. Bei Kontrolltieren traten diese epigenetischen Veränderungen dagegen nicht auf. Umweltschadstoffe wie Methoxychlor, aber auch andere, können über diesen Mechanismus ihre krankmachende Wirkung noch an mehrere folgende Generationen vererben, betonen die Forscher. “Wenn ihre Urgroßmutter einem Schadstoff wie dem Pestizid Methoxychlor ausgesetzt war, dann kann das Ihre Anfälligkeit gegenüber Krankheiten dramatisch erhöhen – und Sie geben dies ebenfalls an ihre Nachkommen weiter, selbst wenn Sie niemals mit dem Schadstoff in Berührung gekommen sind”, sagt Seniorautor Michael Skinner von der Washington State University.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten Pestizide wie Methoxychlor einige der Gesundheitsprobleme erklären, die heute in den Industrieländern immer gehäufter auftreten. So nehmen weltweit Fruchtbarkeitsstörungen bei Frauen zu, die durch Zysten und mangelnde Eizellen in den Eierstöcken ausgelöst werden. Genau diese Symptome aber beobachteten Skinner und seine Kollegen bei den Kindern und Enkeln der pestizidbelasteten Ratten. “Diese Problem könnten daher in Teilen durch die Belastung der Vorfahren mit Schadstoffen wie Methoxychlor verursacht worden sein”, so die Forscher. Auch das zunehmende Übergewicht in der Bevölkerung könnte teilweise auf solche epigenetisch geerbten Belastungen zurückgehen. “Methoxychlor förderte bei 45 Prozent der männlichen und 25 Prozent der weiblichen Rattenkinder ein erhöhtes Körpergewicht”, berichten die Forscher. Ähnliche generationsübergreifende Wirkungen seien zuvor auch schon für Umweltschadstoffe wie Bisphenol A, Weichmacher, Flugzeugtreibstoff und DDT nachgewiesen worden. “Unsere Ergebnisse haben daher eine erhebliche Bedeutung auch für die menschliche Bevölkerung”, konstatieren Manikkam und seine Kollegen.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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