Menschen, Delfine und andere Säuger leben noch lange über ihre reproduktive Phase hinaus. Biologisch gesehen scheint das wenig Sinn zu machen, weil sie sich dann nicht mehr fortpflanzen können. Wie eine solche verlängerte Lebensspanne trotzdem im Laufe der Evolution entstehen kann, erklärt eine neue Theorie eines amerikanischen Wissenschaftlers. Sie besagt, dass die Unterstützung der Nachkommen und Enkel auf indirekte Weise für die Weitergabe der eigenen Gene sorgt und somit ein längeres Leben begünstigen kann. Das berichtet der Forscher im Fachmagazin „PNAS“ (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.1530303100).
Die klassische Evolutionstheorie zum
Altern besagt, dass die Sterblichkeit durch die abnehmende Fertilität mit dem Alter zunimmt. Ronald Lee von der Universität von Kalifornien in Berkeley geht davon aus, dass die Investition in die Nachkommen die Sterblichkeit ebenso stark beeinflusst wie die Fruchtbarkeit. Brutfürsorge können die Eltern auch dann noch leisten, wenn sie bereits nicht mehr fortpflanzungsfähig sind. Damit kann eine verlängerte Lebensspanne zu einem vorteilhaften Merkmal werden.
Lee liefert mit seiner Theorie auch eine Erklärung für eine abnehmende Kindersterblichkeit mit dem Alter: Je mehr Ressourcen die Eltern in ein Kind investiert haben, desto wertvoller ist es für sie und desto höher ist damit auch der Selektionsdruck auf eine verminderte Sterblichkeit.
Dass Investitionen in Verwandte für den eigenen Reproduktionserfolg von Bedeutung sind, ist bereits von sozialen Insekten wie Ameisen oder Bienen bekannt. Bislang wurde diese Theorie jedoch nicht mit dem Altern in Zusammenhang gebracht.
Christine Harbig