Amanda Seed von der Universität von Cambridge und ihre Kollegen änderten nun den Röhrentest leicht ab, um ihn mit Saatkrähen durchführen zu können: Das Futter wurde zwischen zwei durchsichtigen Plexiglasscheiben in der Mitte der Röhre positioniert und konnte mit einem bereits angebrachten Stab von den Krähen in die gewünschte Richtung gezogen worden. Wiederum war eine Richtung erfolgversprechend, während die andere das Futter in einer Falle verschwinden ließ. Sieben von acht getesteten Krähen lernten, diese Aufgabe zu lösen.
Diese sieben erfolgreichen Krähen konnten auf Anhieb auch eine zweite Aufgabe lösen, für die die Forscher die erste Testanordnung leicht abgeändert hatten: Die Krähen mussten ihre Belohnung nun durch ein Loch fallen lassen, statt sie durch das eine Röhrenende zu ziehen. Die Hauptaufgabe bestand aber immer noch in der Umgehung der Futterfalle. Bei einer dritten Aufgabe scheiterten jedoch alle Vögel bis auf einen. Hier bestand die Aufgabe nicht mehr darin, die schon bekannte Falle zu umgehen, es musste vielmehr der richtige Ausgang gewählt werden, da jeweils ein in den vorigen Aufgaben funktionierender Ausgang blockiert wurde.
Die von den Vögeln gewählten Lösungen basierten eindeutig nicht nur auf der Wiederholung erfolgreicher Strategien, sonst wären sie schon bei der zweiten Aufgabe gescheitert, berichten die Forscher. Krähen können demnach physikalische Prinzipien erfassen und sie auch übertragen, um dadurch mindestens so komplizierte Probleme zu lösen wie die zuvor getesteten werkzeugbenutzenden Primaten. Auch verdiene die außerordentliche Leistung des einen Vogels, der alle Aufgaben lösen konnte, weitere Aufmerksamkeit. Allerdings ist eher unwahrscheinlich, dass die Vögel tatsächlich die Zusammenhänge zwischen den einzelnen physikalischen Kräften verstanden haben. Vielmehr scheinen die Vögel ihre Umwelt zu verstehen, indem sie Regeln abstrahieren, erklären die Forscher.