Bestimmte Formen von plötzlichem Kindstod sind genetisch bedingt. Darauf deuten die Ergebnisse amerikanischer Forscher hin, die eine ungewöhnliche Häufung unerklärlicher Todesfälle bei Kleinkindern in einer abgeschieden lebenden Gruppe von Amischen untersucht haben. Dabei fanden die Mediziner bei den betroffenen Kindern ein deutlich verändertes Gen, dessen Funktion bislang noch nicht bekannt ist. Die Säuglinge erschienen bei der Geburt gesund, starben jedoch innerhalb des ersten Lebensjahres an Herzversagen oder Atemaussetzern. Die Forscher um Dietrich Stephan vom Translational Genomics Research Institute in Phoenix beschreiben ihre Entdeckung in der Fachzeitschrift PNAS (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0401194101).
Unter dem Begriff
plötzlicher Kindstod werden alle unerwarteten und unerklärlichen Todesfälle bei Kindern unter einem Jahr zusammengefasst. Zumindest bei einigen dieser Todesfälle scheinen genetische Veränderungen eine Rolle zu spielen: So starben innerhalb von nur zwei Generationen 21 Kinder von neun Familien, die der Religionsgemeinschaft der Amischen angehörten, am plötzlichen Kindstod.
Stephan und seine Kollegen untersuchten die DNA vier dieser Kinder und wurden fündig: Im Erbgut aller vier Säuglinge waren beide Kopien eines Gens namens TSPYL deutlich verändert. Dagegen fanden die Forscher bei den gesunden Verwandten der Kinder maximal eine Kopie des veränderten Gens. Das Gen, dessen Funktion bislang nicht bekannt ist, ist sowohl im Gehirn als auch in den Geschlechtsorganen aktiv. Ein Teil der männlichen Kinder mit der Genveränderung hatten demnach auch leicht missgebildete Hoden, berichten die Forscher. Sonst seien keine auffälligen Symptome feststellbar gewesen.
Die Entdeckung der Forscher könnte Eltern ermöglichen, bereits früh festzustellen, ob ihre Kinder zu einer Risikogruppe gehören oder nicht, schreiben Stephan und seine Kollegen. Diese Kinder könnten dann besonders überwacht und im Ernstfall schneller und zielgerichteter behandelt werden. Als nächstes wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie häufig die entdeckte Genveränderung in der Bevölkerung vorkommt und welche Funktion das Gen im gesunden Organismus erfüllt.
ddp/bdw ? Ilka Lehnen-Beyel