Amerika wurde bereits 1999 für frei von Polio erklärt. In dieser Zeit brach die Krankheit auf der Karibikinsel Hispaniola aus. Zwei Kinder starben, weitere 19 trugen Lähmungen davon. Olen Kew, Virologe von den US Centers for Disease Control Prevention in Atlanta, Georgia, hat nun mit seinen Kollegen den Ursprung des tödlichen Virus zurückverfolgt. Er stammt von einer einzelnen OPV-Gabe, die vermutlich einem Kind auf Haiti verabreicht worden war.
Die Gene, die die Wildform des Poliovirus gefährlich machen, sind bei dem Impfstoff abgeschaltet. Bei dem Hispaniola-Virus wurden sie ? vermutlich durch zufällige Mutationen ? wieder aktiv. ?Das ist wenig überraschend, denn der Poliovirus gehört zu den sich sehr schnell entwickelnden Viren?, so Kew.
Die Polioviren bedienen sich aber auch einer schnelleren und effizienteren Methode als der einfachen Mutation. Sie übernehmen genetische Informationen von verwandten Darmerregern, bestimmten Enteroviren. Dadurch werden sie schneller wieder virulent. Diese Art der Rückkehr zur aggressiven Form des Erregers tritt nur unter ganz spezifischen Bedingungen ein. Auf Hispaniola waren diese gegeben. Etwa 20 Prozent der Kinder auf der Insel waren noch nicht mit OPV behandelt worden. Das wilde Poliovirus, das ebenfalls immun macht, war dort über mehrere Jahre nicht vorgekommen. Deshalb gab es auf Hispaniola viele Kinder, die für eine Infektion empfänglich waren. Das Virus wurde von Kind zu Kind weitergereicht und entwickelte sich innerhalb von etwa einem Jahr zur virulente Form.
Die Forscher drängen darauf, dass die weltweite Immunisierung gegen Kinderlähmung möglichst schnell vorangetrieben und beendet wird. Andernfalls besteht mit OPV eine Gefahr für etliche Kinder in den USA und Europa, die seit Jahrzehnten als frei von Polio gelten.