Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Promi-Fliege glänzt mit Flugleistung

Flugtest in der Mojave-Wüste

Promi-Fliege glänzt mit Flugleistung
Die Flugfähigkeiten der „Fliegen der Forschung“ wurden offenbar unterschätzt. (rob_lan /iStock)

Besonders „sportlich“ wirken sie nicht gerade, wenn sie träge den Obstkorb umkreisen – doch offenbar können auch die berühmten Drosophila-Fliegen erstaunliche Flugleistungen vollbringen: Die als Modelltiere der Forschung bekannten Winzlinge sind beachtliche Marathonflieger, zeigen Freisetzungs-Experimente in der Mojave-Wüste. Hungrige Drosophilas können demnach ohne Unterbrechung 12 bis 15 Kilometer weit fliegen, was dem Sechs-Millionenfachen ihrer Körperlänge entspricht. Diese Reichweite wirft nun auch Licht auf ein bisheriges Rätsel der Populationsgenetik bei Drosophila, berichten die Forscher.

Sie ist eines der am besten untersuchten Wesen der Erde und auch aus persönlicher Erfahrung kennt jeder Drosophila melanogaster – die schwarzbäuchige Taufliege: Es handelt sich um die stecknadelkopfgroßen Insekten, die in der Biotonne wimmeln, sich in Weingläser stürzen oder zielsicher auf dem Obstsalat landen. Durch ihre vielen praktischen Eigenschaften avancierte Drosophila zu einem der wichtigsten Modelltiere der Wissenschaft: Forscher haben mit ihrer Hilfe bereits viele fundamentale Geheimnisse der Entwicklungsbiologie und Genetik aufgedeckt.

Doch trotz der vielen Einblicke in ihre Biologie gab es bisher überraschenderweise Unklarheiten zu einem Merkmal, das Drosophila zur Fliege macht: die Flugfähigkeit. „Diese Insekten sind der Standard-Labor-Modellorganismus, aber sie werden fast nie außerhalb des Labors untersucht, und so hatten wir kaum eine Vorstellung von ihrer natürlichen Leistungsfähigkeit“, sagt Michael Dickinson vom California Institute of Technology in Pasadena.

Fragender Blick auf die Flugleistung

Die aktuelle Studie wurde zudem von einem Paradoxon motiviert, das Forscher bereits in den 1940er Jahren aufgezeigt haben: Sie hatten herausgefunden, dass Fliegenpopulationen, die durch Tausende von Kilometern voneinander getrennt waren, einander genetisch viel ähnlicher sind, als es anhand von Schätzungen zu den Langstrecken-Flugfähigkeiten der kleinen Insekten plausibel wirkte. Denn Taufliegen scheinen typischerweise nur behäbig im Kreis zu schwirren, so wie sie es auch in unseren Küchen tun. So kam die Frage auf, inwieweit sie sich anders verhalten, wenn sie in der freien Natur auf Nahrungssuche sind. Es gab zwar schon vor über 40 Jahren Tests, die Drosophila eine beachtliche Reichweite attestierten, doch es blieb fraglich, inwieweit dabei der Wind nachgeholfen hatte.

Anzeige

Um für belastbare Ergebnisse zur Flugleistung zu sorgen, haben Dickinson und seine Kollegen nun Freilassungs- und Wiedereinfang-Experimente in der Mojave-Wüste durchgeführt, in der Drosophila normalerweise nicht vorkommt. Dabei wurden Fliegen freigelassen und anschließend in Fallen an festgelegten Orten gelockt, um zu erfassen, wie lange die Insekten brauchten, um dorthin zu fliegen. Dazu stellte das Team zehn Geruchsfallen in einem kreisförmigen Ring auf, die sich jeweils in einem Radius von einem Kilometer um den Freilassungsort befanden. Jede Falle enthielt einen für Drosophila verlockenden Duftcocktail aus gärendem Apfelsaft und Champagnerhefe. Zusätzlich richteten die Forscher eine Wetterstation ein, um die Windgeschwindigkeit und -richtung bei den Experimenten zu messen.

Für ihre Experimente haben Forscher Tausende von Drosophila-Fliegen in der Mojave-Wüste freigelassen. (Bild: Floris van Breugel)

Etwa sechs Millionen Körperlängen

Wie die Forscher berichten, dauerte es nach dem Öffnen der Behälter mit den Fliegen bei Windstille etwa 16 Minuten, bis die ersten an den einen Kilometer entfernten Fallen ankamen. Folglich waren sie mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Meter pro Sekunde unterwegs gewesen, sagen die Forscher. Wie sie betonen, kommen die Tierchen bei Rückenwind auf entsprechend höhere Geschwindigkeiten. Das Team interpretierte allerdings auch die gemessene Geschwindigkeit bei Windstille als einen tendenziell unterschätzten Richtwert – denn möglicherweise mussten sich die Fliegen nach der Freilassung erst einmal orientieren oder hatten zunächst keine perfekt geraden Fluglinien zu den Duftfallen eingeschlagen.

Anschließenden kombinierten die Forscher ihre Daten mit Ergebnissen früherer Laboruntersuchungen, denen zufolge sich Taufliegen bis zu drei Stunden lang ununterbrochen in der Luft halten können. Übertragen auf die neuen Ergebnisse bedeutete das: Die Insekten können bei einem ununterbrochenen Flug ohne Wind etwa 12 bis 15 Kilometer zurücklegen. Diese Entfernung entspricht damit etwa dem Sechs-Millionenfachen der durchschnittlichen Körperlänge einer Fruchtfliege von 2,5 Millimeter, heben die Forscher hervor. In Analogie dazu würde ein durchschnittlicher Mensch auf einer einzigen Reise etwas mehr als 10.000 Kilometer zurücklegen – das entspricht in etwa der Entfernung vom Nordpol zum Äquator. Bezogen auf ihre Körpergröße kann sich die Flugleistung der kleinen Fliegen zudem mit der einiger Zugvogelarten messen, sagen die Wissenschaftler.

„Die Ausbreitungsfähigkeit von Drosophila melanogaster wurde bisher stark unterschätzt“, resümiert Dickinson das Ergebnis. Dies wirft nun Licht auf die natürlichen Fähigkeiten dieser prominenten Modelltiere und das bisherige Verbreitungs-Paradox, sagen die Wissenschaftler. Es ergeben sich aber auch generelle Hinweise für den Forschungsbereich der sogenannten Bewegungsökologie, die sich damit beschäftigt, wie sich Tierpopulationen bewegen und ausbreiten. Dabei stehen oft invasive Arten im Fokus. Wie die Forscher hervorheben, richtet sich dabei auch der Blick auf eine berüchtigte Verwandte der Taufliege: Momentan breitet sich die ursprünglich aus Südostasien stammende Drosophila suzukii auf der Welt aus und verursacht Schäden im Obstbau.

Quelle: California Institute of Technology, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2013342118

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Po|ly|ar|thri|tis  auch:  Po|ly|arth|ri|tis  〈f.; –, –ti|den〉 Entzündung mehrerer Gelenke … mehr

Vul|ka|no|lo|gie  〈[vul–] f.; –; unz.〉 Teilgebiet der Geologie, das sich mit der Erforschung des Vulkanismus befasst

Schnee|ha|se  〈m. 17; Zool.〉 Hase, der im Winter ein weißes Fell bekommt: Lepus timidus

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige