Teilnehmer, die bereits vor Beginn der Krebsstudie an Diabetes erkrankt waren, wurden dabei nicht berücksichtigt. Von den 600 Patienten, die Selen einnahmen, waren nach fast acht Jahren etwa zehn Prozent an Diabetes mellitus vom Typ 2 erkrankt, dem so genannten Altersdiabetes. Bei der Placebo-Gruppe waren es nur sechs Prozent. In der Selen-Gruppe war das Diabetesrisiko somit fast fünfzig Prozent höher als in der Placebo-Gruppe.
Auf welche Weise die hohe Selenzufuhr das Risiko für Diabetes erhöhen konnte, wissen die Forscher noch nicht. Das Spurenelement kommt von Natur aus in verschiedenen Lebensmitteln vor und gilt als lebensnotwendig. Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung reichen jedoch dreißig bis siebzig Mikrogramm Selen aus, um den täglichen Bedarf eines Erwachsenen zu decken. Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln bewerben Selen auf Grund seiner antioxidativen Eigenschaften mit einer Vielzahl an positiven Wirkungen: Selen-Präparate sollen beispielsweise die körpereigene Abwehrkraft stärken oder Alterungsprozesse verzögern. Vielversprechende Ergebnisse lieferte Selen in Studien zur Vorbeugung von Prostatakrebs.
Die Ergebnisse bedeuteten weitere schlechte Nachrichten für Nahrungsergänzungsmittel, kommentiert der Epidemiologe Eliseo Guallar von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. Etwa sechzig Prozent der US-Amerikaner schlucken Mulitvitamin-Tabletten. Viele solcher Supplemente enthalten auch Selen, meist zwischen 33 und 200 Mikrogramm. Wie viele Deutsche Selen einnehmen und in welchen Mengen, ist derzeit nicht bekannt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält eine tägliche Zufuhr von dreißig Mikrogramm Selen aus Nahrungsergänzungsmitteln für unbedenklich.