Eine fleischfressende Pflanze aus Borneo ist nur dann für Insekten gefährlich, wenn der Rand ihrer Blattkelchfalle etwa durch Regen oder Tau angefeuchtet ist. Dann rutscht die Beute wie ein Auto bei Aquaplaning weg und gerät so in den Kelch mit der Verdauungsflüssigkeit. Mit dem Absondern von süßem Nektar kann die Kannenpflanze der Gattung Nepenthes die Rutschfläche sogar selbst glatt halten, haben Forscher um Ulrike Bauer von der Universität Cambridge herausgefunden. Für die Beutetiere ist kaum berechenbar, wann der Fangmechanismus der Kannenpflanze aktiviert ist und wann nicht. Dies erhöhe die Ausbeute für die Pflanze, so die Biologen.
Die Forscher untersuchten Kannenpflanzen der Art Nepenthes rafflesiana auf der südostasiatischen Insel Borneo. Sie brachten am etwas verdickten Rand der Kannen kleine Sensoren an, die die Feuchte und Wasserbenetzung messen. Überraschenderweise war die Rutschfalle nicht ständig aktiviert. Tagsüber war die Oberfläche trocken und für Insekten ungefährlich. Erst bei Regen und mit dem Tau der Nacht wurde der Rand zur feuchten Rutschbahn. Die Fangrate liegt dann bei achtzig Prozent. Das fanden Bauer und ihre Kollegen heraus, als sie die tassengroßen, an einem Blattstiel hängenden Kannen in eine Box mit Ameisen hineinhielten und beobachteten, wie viele Ameisen in der Kanne landeten.
Zusätzlich können die Pflanzen den Kannenrand selbst feucht halten, indem sie kleine Mengen an Nektar absondern. Der süße Saft zieht Wasser an, so dass sich mehr Feuchte auf der Oberfläche bildet. Damit hat der Nektar aktiven Anteil am Fangmechanismus. Bislang war nur bekannt, dass Nektar durch seinen Duft Insekten anzieht. “Die meisten Forscher waren wohl bei guten Wetter draußen”, sagt Bauer gegenüber wissenschaft.de. Daher hatten sie die Abhängigkeit des Fangverhaltens der Pflanze von der Feuchte nicht entdeckt.
Da das Mikroklima in den Regenwäldern von Borneo sehr variabel ist, dürfte es für die Insekten undurchschaubar sein, nach welcher Regel ein Besuch der fleischfressenden Pflanze gefährlich oder ungefährlich ist, schätzen die Forscher. Im Wettbewerb von Pflanze und Beute könnte dies ein Vorteil für die Pflanze sein. Wenn der Rand trocken war, konnten Ameisen unbehelligt darüberlaufen. Die meisten Ameisen rutschten indes sofort in die Kanne ab, sobald sie einen feuchten Rand betraten.
Ulrike Bauer (Universität Cambridge) et al.: Proceedings of the Royal Society B, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1098/rspb.2007.1402 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer