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Schiffe hinterlassen „Bremsspur“ aus Mikroplastik

Erde|Umwelt

Schiffe hinterlassen „Bremsspur“ aus Mikroplastik
FRachter auf See
Der Anstrich von Schiffsrümpfen setzt Mikroplastik frei. (Bild: GBlakeley/ iStock)

Längst ist bekannt, dass die Meere von winzigen Kunststoffteilchen kontaminiert sind. Dass aber der Schiffsverkehr dabei eine entscheidende Quelle für das Mikroplastik ist, wurde bisher unterschätzt. Tatsächlich stammen aber viele der Partikel aus Bindemitteln von Schiffsanstrichen, wie Forscher jetzt bei Proben in der Nordsee nachgewiesen haben. Besonders auf dem offenen Meer hinterlassen die Schiffe demnach eine „Bremsspur“ aus Mikroplastik.

In Ozeanen sammeln sich Kunststoffabfälle mittlerweile in gewaltigen Strudeln oder zerfallen zu Mikroplastik. Die Billionen Tonnen Plastikpartikel schwimmen durchs Wasser und finden sich inzwischen selbst in Tiefseegräben und im arktischen Meereis. Als größte Quelle dieser Plastikabfälle gilt der Verpackungsmüll aus Haushalten, aber auch Fischer- und Handelsschiffe stehen im Verdacht, da dort immer wieder Kunststoffnetze verloren gehen und Abfälle von Bord geworfen werden.

Welche Rolle spielen Schiffsanstriche?

Ob aber auch die Anstriche der Schiffe eine Rolle bei der Mikroplastik-Kontamination spielen, haben nun erstmals Forscher um Christopher Dibke von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg anhand von Proben aus der Nordsee untersucht. Dabei wollten sie sich auch einen Überblick über die dortige Mikroplastik-Verteilung verschaffen. Dazu entnahm das Forscherteam jeweils im Herbst 2016 und 2017 mit dem Forschungsschiff „Heincke“ Wasserproben in rund zwei Metern Tiefe in der Deutschen Bucht – insbesondere nahe wichtiger Schifffahrtsstraßen. Mit Edelstahlsieben filterten die Wissenschaftler Plastikteilchen mit einem Durchmesser von weniger als einem Millimeter aus den Proben und ermittelten die chemische Zusammensetzung der gesammelten Partikel.

Für die Analyse zerlegten die Forscher die Kunststoffmoleküle zunächst bei Temperaturen von fast 600 Grad Celsius in kleinere Bruchstücke und trennten sie danach anhand der Molekülmasse und der chemischen Eigenschaften, sodass sie die Teilchen verschiedenen Stoffgruppen zuordnen konnten. Anschließend ermittelte das Team die Masse der jeweiligen Fraktionen. „Bisherige Studien haben für die Nordsee lediglich Partikelzahlen ermittelt, wir haben zum ersten Mal auch die Massenverteilung bestimmt und damit ein umfassenderes Bild vom Aufkommen verschiedener Kunststoffsorten erhalten“, erklärt Dibkes Kollegin Babara Scholz-Böttcher.

Zwei Drittel stammt aus Bindemitteln

Es zeigte sich: Bei den identifizierten Plastikteilchen handelte es sich entgegen den Erwartungen vor allem um Polyvinylchlorid (PVC) sowie sogenannte Acrylate und Polycarbonate, die unter anderem als wasserresistente Kunststoffe gelten. Ihre Masse nahm in allen Proben zusammen einen Anteil von etwa zwei Dritteln ein, in einzelnen Stichproben hatten sie sogar einen Massen-Anteil von 80 Prozent, wie die Forscher berichten. Verpackungs-Kunststoffe wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyethylenterephthalat (PET), die bislang als größter Bestandteil des Mikroplastiks im Meer galten, machten dagegen einen wesentlich kleineren Anteil aus. „Eine solche Verteilung hatten wir nicht erwartet“, betont Scholz-Böttcher.

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Bei weiteren Untersuchungen konnten Dibke und seine Kollegen schließlich auch die Herkunft der Plastikpartikel erklären: Während die von Verpackungen stammenden Teilchen vor allem in der Nähe der Küste auftraten, überwogen die anderen Kunststoffarten auf der offenen Nordsee und in der Elbemündung – insbesondere in der Nähe großer Schifffahrtsrouten. „Wir nehmen an, dass diese Partikel aus Schiffsanstrichen stammen, wo derartige Kunststoffe zum Beispiel in Acrylfarben oder Epoxidharzen als Bindemittel verwendet werden“, berichtet die Umweltchemikerin. Die Kunststoffe in den Schiffsanstrichen sollen unerwünschten Bewuchs verhindern, werden aber durch Wind und Wellen von den Schiffsrümpfen abgeschmirgelt. „Wir gehen davon aus, dass Schiffe im Wasser eine Art ‚Bremsspur‘ hinterlassen, die als Quelle von Mikroplastik eine ähnlich große Bedeutung hat wie der Reifenabrieb von Autos an Land“, so die Forscherin weiter.

Globales, bisher unterschätztes Problem

Das Ergebnis legt nahe, dass tatsächlich deutlich mehr Mikroplastik auf dem offenen Meer entsteht als bislang vermutet. Weiteren Untersuchungen zufolge gelangen alleine in der Europäischen Union jedes Jahr mehrere tausend Tonnen Farbe in die Meeresumwelt, warnen die Forscher. Die Folgen dieser Verschmutzung könnten enorm sein. Denn die Schiffsanstriche enthalten auch Schwermetalle und weitere Zusatzstoffe, die für viele Lebewesen giftig sind. Um die Auswirkungen und den Weg dieses Mikroplastiks in der Umwelt weiter aufzuklären, führt das Team inzwischen weitere Untersuchungen etwa in Flussmündungen und in Sedimenten durch.

Quelle: Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, Fachartikel: Environmental Science & Technology, doi: 10.1021/acs.est.0c04522

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