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Schlängelnde Lurche mit Gift-Biss

Erde|Umwelt

Schlängelnde Lurche mit Gift-Biss
Die bis zu 40 Zentimeter lange Ringelwühle sieht aus wie eine Schlange – und nicht nur das. (Bild: Carlos Jared)

Bizarren Wesen ins Maul geschaut: Forscher haben erstmals bei Vertretern der Amphibien Giftdrüsen an Zähnen entdeckt. Dabei handelt es sich um ein weiteres Merkmal, das die skurrilen Schleichenlurche mit den Schlangen gemeinsam haben. Da diese beinlosen Amphibien entwicklungsgeschichtlich älter sind als die Reptilien, könnten Vertreter der Schleichenlurche die ersten Landwirbeltiere mit oralen Giftdrüsen gewesen sein, sagen die Forscher.

Man könnte sie leicht für Schlangen halten, doch ihre nächsten Verwandten sind Frosch, Salamander und Co: Die Schleichenlurche umfassen etwa 200 Arten, die sich durch verschiedene Lebensräume in den tropischen Regionen der Erde winden. Einige kleine Vertreter ähneln Regenwürmern, andere können aber auch bis zu 1,5 Meter lang werden. Es handelt sich um eine der geheimnisvollsten Gruppen der Wirbeltiere, denn es ist vergleichsweise wenig über diese verborgen lebenden Amphibien bekannt. „Die Untersuchung der Schleichenlurche kann deshalb noch für einige Überraschungen sorgen“, sagt Carlos Jared vom Butantan-Institut in São Paulo.

Geheimnisvolle Wesen im Visier

Zähnchen mit Giftdrüsen zeichnen sich ab. (Bild: Carlos Jared)

Bereits seit einiger Zeit beschäftigen sich der Biologe und seine Kollegen mit der südamerikanischen Ringelwühle (Siphonops annulatus). Diese bis zu 40 Zentimeter lange Art lebt im Boden und jagt dort vor allem Regenwürmer, die sie mit einem zahnbesetzten Maul erbeutet. In einer früheren Studie konnten die Forscher bereits zeigen, dass die Ringelwühle Gift an ihrem Hinterende produziert. „Diese Tiere geben zwei Arten von Sekreten ab – ein giftiges am Schwanzende und am Kopf einen Schleim, der wie eine Art Schmiermittel dabei hilft, durch die Erde zu kriechen“, erklärt Jared. Der giftige Schleim am Schwanz dient hingegen dazu, Räuber an der Verfolgung durch den Tunnel zu hindern. Doch wie aus der neuen Studie nun hervorgeht, ist dies nicht die einzige giftige Strategie der Ringelwühle.

„Bei Untersuchungen des Mauls fielen mir bis dahin unbekannte Drüsen im Bereich der Zähne auf“, berichtet der Erstautor der Studie Pedro Luiz Mailho-Fontana. Die genaueren Analysen zeigten dann, dass es sich um eine Reihe kleiner, flüssigkeitsgefüllter Drüsen im Ober- und Unterkiefer handelt, deren lange Kanäle sich an der Basis jedes Zahnes öffnen. Durch Untersuchungen der embryonalen Entwicklung konnte Mailho-Fontana anschließend zeigen, aus welchem Gewebe die Drüsen an den Zähnen hervorgehen. „Die Giftdrüsen der Haut stammen aus der Epidermis, aber diese Drüsen im Maul entwickeln sich aus dem Zahngewebe“, sagt der Biologe. „Somit handelt es sich um den gleichen Entwicklungsprozess, den man bei den Giftdrüsen von Reptilien finden“. Es handelt sich somit um das erste Mal, dass Drüsen dieser Art bei einem Vertreter der Amphibien entdeckt wurden, konstatieren die Wissenschaftler.

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Das älteste Konzept giftiger Bissigkeit?

Es liegt nahe, dass das Sekret der Zahndrüsen dazu dient, Beutetiere zu paralysieren. „Da die Ringelwühlen weder Arme noch Beine besitzen, ist der Mund das einzige Werkzeug, das zur Jagd genutzt werden kann“, sagt Co-Autorin Marta Maria Antoniazzi. „Wir vermuten, dass sie ihre Munddrüsen in dem Moment aktivieren, in dem sie zubeißen“, so die Wissenschaftlerin. Das Giftpotenzial des Sekrets müssen die Forscher zwar erst noch genauer ausloten. Doch eine erste chemische Analyse wies bereits Phospholipase A2 nach – ein Protein, das von den Giften anderer Tiere bekannt ist. „Das Phospholipase-A2-Protein ist bei nicht-giftigen Arten ungewöhnlich, aber wir finden es in den Toxinen von Insekten und vielen Arten von Reptilien“, sagt Mailho-Fontana. Die biologische Aktivität der Phospholipase A2 des Sekrets der Ringelwühle war sogar höher als diejenige, die bei einigen Klapperschlangenarten zu finden ist, berichten die Forscher. Sie führen nun weitere biochemische Analysen durch, um das toxische Potenzial des Sekrets zu bestätigen.

Wie die Forscher erklären, könnte es sich bei dem neu entdeckten Konzept um das älteste evolutionäre Design einer oralen Giftigkeit handeln. „Schlangen erschienen in der Kreidezeit wahrscheinlich vor 100 Millionen Jahren, aber die Schleichenlurche sind viel älter“, sagt Jared. „Im Gegensatz zu den Schlangen, die nur wenige Drüsen mit einer großen Giftmenge haben, hat die Ringelwühle Drüsen mit wenig Sekret – aber dafür sehr viele. Vielleicht stellt dies eine primitive Form der Giftdrüsenentwicklung dar“. Seine Kollegin Antoniazzi ergänzt: „Für Schlangen und Schleichenlurche ist der Kopf die einzige Einheit, die erforschen, kämpfen und töten kann. Möglicherweise bildet dies den gemeinsamen Ursprung der Entwicklung von Gift-Konzepten bei beinlosen Tieren“, so die Wissenschaftlerin.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: iScience, doi: 10.1016/j.isci.2020.101234

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