Auch unter Bakterien gibt es Egoisten: Mikroorganismen vom Stamm Pseudomonas aeruginosa übervorteilen ihre Artgenossen dadurch, dass sie die energiezehrende und aufwendige Kommunikation in Bakterienkolonien einfach einstellen. Da die schummelnden Mikroorganismen aber die Nährstoffe, die von der Kolonie erzeugt werden, weiter nutzen können, wachsen die Egoisten schneller. Ursache der Funkstille ist die Mutation und Störung eines Gens, das für die chemische Kommunikation zwischen den Bakterien verantwortlich ist, haben Biologen um Kelsi Sandoz vom der Staatsuniversität von Oregon in Corvallis herausgefunden. Werden die Schmarotzer in der Kolonie allerdings zu zahlreich und droht der Gesamtverband daran Schaden zu nehmen, so bringen andere genetische Mechanismen die Abweichler wieder auf Linie, berichten die Forscher.
Die Forscher beobachteten die Vermehrung des Keims Pseudomonas aeruginosa im Reagenzglas und analysierten die Erbsubstanz DNA der Bakterien nach vielen Zellteilungen. Nach rund hundert Generationen tauchten die ersten Abweichler unter den Bakterien auf: Diese Egoisten hatten durch eine Mutation des Regulationsgens „lasR“ ihre Kommunikation mit der Kolonie eingestellt, ernährten sich weiter prächtig und wuchsen besonders gut. Die kooperativ gebliebenen Bakterien wendeten hingegen weiterhin erhebliche Energien auf, um sich abzustimmen. Dazu zählt beispielsweise der Austausch von Signalmolekülen, um in konzertierter Weise Nahrungsquellen durch Enzyme aufzuschließen.
Sind diese Nahrungsquellen aber alles andere als üppig, so erschwert eine Überzahl an Egoisten das Überleben der Kolonie. In diesem Fall setzen andere genetische Schalter die chemische Kommunikation der egoistischen Bakterien mit der Kolonie wieder in Gang. Mit dem Verständnis dieses Mechanismus hoffen die Forscher, Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa besser in Schach halten zu können. Der Keim kommt im Boden vor und kann Lungenentzündungen hervorrufen. Bei vielen Krankheiten wie etwa der zystischen Fibrose und bei Aids sorgt Pseudomonas für Komplikationen durch Atemwegsinfektionen. Ein Ansatzpunkt für neue Medikamente könnte es sein, die Kommunikation der Bakterien im Infektionsherd zu unterbrechen und lauter Egoisten zu etablieren, damit die Kolonie ihre innere Koordination verliert und abstirbt.
Kelsi Sandoz (Staatsuniversität von Oregon in Corvallis) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, DOI:10.1073/pnas.0705653104 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer
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