Bei Nacht und Nebel trifft niemand gerne auf dunkle Gestalten. Neurobiologen haben dafür einen möglichen Grund entdeckt: In unklaren Situationen werden die Schreckreaktionen des Gehirns am Verstand vorbei aktiviert. Zwar besitzt der Mensch auch ein Alarmsystem, das den Weg über die höheren Funktionen des Nervensystems nimmt, aber in brenzligen Lagen verzichtet das Gehirn lieber auf den langen Draht, berichten Schweizer Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Neuroscience“ (Online-Vorabveröffentlichung vom 11. Mai).
Hirnforscher um Patrik Vuilleumier von der Universität Genf zeigten Versuchspersonen Bilder mit verschwommenen und klar dargestellten Gesichtern und beobachteten dabei mit einem Tomographen die Gehirnaktivität der Probanden. Ein Teil der auf den Bildern Dargestellten schaute mit einem bedrohlichen Ausdruck auf ihren Betrachter. Erstaunlicherweise reagierten die Alarmregionen im Gehirn der Versuchspersonen auf die unscharfen Gesichter sehr viel schneller, berichten die Forscher. Deutliche Bilder würden dagegen wohl erst eingehend analysiert, bevor im Gehirn die Alarmglocken läuten.
Zu den wichtigsten Schreckregionen im Gehirn, die auch Vuilleumier und seine Kollegen in Augenschein genommen haben, gehört der tief hinter den Schläfen gelegene Mandelkern. Er besitzt einen direkte Verbindung zu den Augen, die er in gefährlichen oder unklaren Situation ? etwa bei Nacht und Nebel ? offenbar auch nutzt. Frühere Untersuchungen haben bereites gezeigt, dass der Mandelkern beim Anblick von Schlangen oder Spinnen mit Panik reagieren kann, bevor das Großhirn die Situation durchschaut.
ddp/bdw ? Andreas Wawrzinek