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Schöne Mütter – gute Mütter

Erde|Umwelt

Schöne Mütter – gute Mütter
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Je breiter der Bruststreif und je weißer der Wangenfleck der Mutter, desto fitter ist der Nachwuchs. (Bild: Thinkstock)
Die Kohlmeise ist im Grün unseres Gartens leicht zu erkennen: Leuchtend weiße Bäckchen, ein schwarzer Kopf und Brustreif und ein gelber Bauch schmücken diesen Singvogel. Weniger einfach ist es allerdings, beide Geschlechter auseinander zu halten. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Vogelarten tragen bei den monogamen Kohlmeisen auch die Weibchen ein auffallendes Federkleid. Tschechische Forscher haben jetzt herausgefunden, welchen biologischen Nutzen das hat: An Wangen und Brust der Kohlmeisendame können die Männchen ablesen, wie gut ihre Angebetete später als Mutter ist.

Ob Pfau, Paradiesvogel oder Stockente – bei vielen Vögeln sind die Männchen das schöne Geschlecht. Sie schmücken sich mit bunten Federn, Krönchen oder schlagen ein eindrucksvolles Rad. Der Sinn dieser Übung ist schon lange bekannt: Die Männchen dieser polygamen Arten wollen ihre Konkurrenten um die Weibchen ausstechen und ihre Fitness signalisieren. Erfolg bei den wählerischen Vogeldamen haben dabei meist diejenigen, die besonders auffallend herausgeputzt sind. Denn wenn sie es geschafft haben, trotz ihres Federschmucks nicht gefressen zu werden, müssen sie sehr lebenstüchtig sein und damit auch gute Gene an den Nachwuchs weitergeben können – so nach gängiger Theorie die biologische Logik dahinter. Die Weibchen dagegen kümmern sich bei diesen Arten um die Brut und Aufzucht der Jungen, sie sind daher unauffällig gefärbt, um diese nicht in Gefahr zu bringen.

Warum sind beide Partner bunt?

Viele Vogelarten jedoch verpaaren sich nur einmal in ihrem Leben und kümmern sich dann gemeinsam um die Aufzucht ihrer Jungen. Theoretisch sollten sie daher beide möglichst unauffällig daherkommen, um ihre Brut zu schützen. „Trotzdem sind bei vielen dieser Arten die Weibchen bunt und auffallend gefärbt, genauso wie die Männchen – aber warum?“, fragen Vladimir Remes und seine Kollegen von der Palacky Universität im tschechischen Olomouc. Theoretisch gebe es dafür mehrere Erklärungen: So könnten die Weibchen ihr Federkleid als Statussymbol gegenüber Konkurrentinnen einsetzen. Möglich wäre auch, dass zwar die Männchen-Färbung bei der Partnerwahl entscheidet, aber die Weibchen quasi als genetische Nebenwirkung diese Färbung erben. Aber auch eine dritte Erklärung wäre denkbar: Die Weibchen könnten mit ihrem Federkleid ihre Qualitäten als Mutter bewerben und so ihrerseits um den Partner buhlen.

Ob diese dritte Theorie zutrifft, haben Remes und seine Kollegen nun mit einem Experiment überprüft. In einem Waldgebiet mit insgesamt 188 Nistkästen fotografierten sie dazu zunächst die Wangenflecken und Bruststreifen der brütenden Weibchen und ihrer Partner. Waren die Jungen geschlüpft, wurden einige Bruten komplett gegen die anderer Meiseneltern ausgetaucht. Als Folge wuchsen einige der Nestlinge bei Pflegeeltern auf, andere blieben bei ihren leiblichen Eltern. Die Forscher ermittelten nun per Videoüberwachung, wie oft die Eltern ihre Jungen fütterten und welche Beute sie ihnen brachten. Zwei Wochen nach dem Schlupf wurden alle Jungen gewogen und Remes und seine Kollegen testeten, wie stark das Immunsystem der Nestlinge auf eine Injektion mit einer reizenden Substanz reagierte.

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Mehr Farbe – gesündere Junge

Die Auswertung ergab tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Federkleid der Mütter und der Fitness ihrer Jungen – und dies sowohl bei leiblichen wie auch bei Pflegekindern. „Weibchen mit einem weißeren, makelloseren Wangenfleck und einem breiteren schwarzen Bruststreif hatten schwerere und abwehrstärkere Jungen“, berichten die Forscher. Zumindest für die genetischen Mütter gebe es auch eine physiologische Erklärung: Weibchen mit ausgeprägter Färbung erzeugten Eidotter mit höheren Vitamin- und Karotinoidgehalten, diese wiederum wirken als Immun-Stimulantien. Ihr Nachwuchs erhält daher schon im Ei die Voraussetzung für eine fitte Immunabwehr.

Dieser Effekt kann allerdings nicht erklären, warum die bunteren Meisenmütter auch gesündere Pflegekinder großzogen. Eine Möglichkeit wäre, dass diese Weibchen ihre Jungen besser fütterten, mutmaßen die Wissenschaftler. Einen Unterschied in der Fütterungshäufigkeit habe man zwar nicht beobachtet, aber es wäre denkbar, dass die Qualität der Nahrung besser war. Ebenfalls eine Rolle spielen könnte es, wie gut die Mutter ihre Nestlinge pflegt – sie also wärmt und nach Parasiten absucht. Das müsse aber noch untersucht werden. Klar sei aber, dass die Makellosigkeit des weißen Wangenflecks eindeutig anzeige, wie fit der Nachwuchs eines Kohlmeisen-Weibchen werde.

„Größere, gesundere Kinder sind für den reproduktiven Erfolg der Tiere wichtig, denn sie schaffen es häufiger, bis ins Erwachsenenalter zu überleben“, erklären Remes und seine Kollegen. Daher sei es biologisch sinnvoll, wenn die Vögel von vornherein erkennen können, welche potenzielle Partnerin die besten Mutterqualitäten hat. Offenbar wiege dieser Vorteil den Mehraufwand auf, der für die Erzeugung der bunten Federornamente nötig sei.

Vladimir Remes (Palacky Universität, Olomouc) et al., Frontiers in Zoology, doi: 10.1186/1742-9994-10-14 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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