Warum hängen sich manche Menschen ein Hirschgeweih über ihre Wohnzimmercouch? Schlicht und einfach, weil sie es schön finden. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, nicht aber darüber, dass es Menschen gibt, die offenbar den gleichen Schönheitssinn haben wie Hirschkühe – denn denen wollen die Hirsche mit ihrem prächtigen Geweih imponieren. Auch der melodische Gesang der Nachtigall ist nicht für menschliche Ohren bestimmt, sondern für andere Nachtigallen. Viele Beispiele zeugen von der Universalität des Schönen. Die Frage ist nicht, ob es Schönheit als feste Größe in der Welt gibt, sondern warum und wozu es sie gibt.
Die Antwort Darwins war, dass Schönheit im Dienst der Fortpflanzung steht – er nannte das „sexuelle Selektion“: Ein Weibchen erhört demnach das äußerlich attraktivste – und damit vermutlich auch genetisch gesündeste – Männchen zum Vorteil der Nachkommen, die im Kampf um das Überleben die besten Chancen haben sollen. Wie aber passt ein Pfauenhahn, der ein körperlanges Anhängsel prächtiger Federn mit sich herumschleppt, zum Prinzip des „survival of the fittest“? Darwin fand keine Antwort. Den Argus-fasan sortierte er zusammen mit Pfauen und Paradiesvögeln schließlich in die Kategorie „unverständlicher Luxus“ ein.
Der Evolutionsbiologe Josef Reichholf geht diesem Dilemma Darwins in seinem neuen Buch umfassend nach. Anhand vieler Beispiele betrachtet er die Herkunft, das Zustandekommen und die Funktion der Schönheit im Tierreich und leitet dann zur Schönheit in der Menschenwelt über. Zum Glück zerrinnt das Schöne dabei nicht unter dem analysierenden Blick des Forschers. Claudia Eberhard-Metzger
Josef Reichholf DER URSPRUNG DER SCHÖNHEIT C.H. Beck, München 2011 302 S., € 19,95 ISBN 978–3–406–58713–9