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Schwarze Venus

Astronomie|Physik Erde|Umwelt Geschichte|Archäologie

Schwarze Venus
Am 6. Juni ergibt sich für alle derzeit Lebenden die letzte Chance, einen Venus-Transit zu sehen. Allerdings müssen sie dafür schon an den Polarkreis, nach Ostasien oder Australien reisen.

Am 8. Juni 2004 verfolgten Millionen von Menschen in ganz Europa bei wolkenlosem Himmel, wie sechs Stunden lang die Venus als schwarze Scheibe vor der Sonne vorbeizog. Am 6. Juni 2012 wiederholt sich das seltene Spektakel. Doch dieses Mal lässt sich von Deutschland aus nur kurz nach Sonnenaufgang die letzte Phase beobachten.

Venus-Transits ähneln Sonnenfinsternissen, sind aber viel seltener. Interessanterweise treten sie stets im Doppelpack auf. Ursache hierfür sind die speziellen Verhältnisse der Umlaufbahnen von Venus und Erde.

Die innerhalb der Erdbahn um die Sonne laufende Venus benötigt für eine Umrundung 225 Tage, die Erde 365 Tage. Dadurch überholt die Venus unseren Planeten auf der Innenbahn alle 584 Tage. Würden beide Bahnen in einer Ebene liegen, könnte man also etwa alle eineinhalb Jahre die Venus vor der Sonne vorbeiziehen sehen. Da die Bahnen aber gegeneinander geneigt sind, läuft die Venus meistens oberhalb oder unterhalb unseres Tagesgestirns entlang. Nur wenn die drei Himmelskörper auf einer Linie liegen, kommt es zu einem Transit.

Die Zeitspanne zwischen fünf „Überrundungen“ entspricht zufällig fast genau acht Erdumrundungen um die Sonne. Deswegen ereignen sich Venus-Transits im Abstand von acht Jahren. Sie treten paarweise auf, weil die beiden gegeneinander gekippten Bahnen sich an zwei gegenüberliegenden Punkten jeweils um den 7. Juni und 8. Dezember kreuzen. Da die Dauer zwischen den Überrundungen nicht exakt acht Jahre beträgt, treffen sich Erde und Venus jedoch nicht immer an den Kreuzungspunkten. Das geschieht erst wieder nach 122 Jahren: Die nächste Passage wird sich am 11. Dezember 2117 ereignen, aber in Deutschland nicht sichtbar sein. Erst der darauf folgende Transit am 8. Dezember 2125 wird sich von hier aus zumindest teilweise verfolgen lassen.

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Geistlicher Himmelsspäher

Venus-Transits spielten in der Geschichte der Astronomie eine große Rolle. Im Oktober 1639 beschäftigte sich der junge englische Geistliche Jeremy Horrocks mit einem Tabellenwerk des Astronomen Johannes Kepler. Dabei stellte er erstaunt fest, dass die Venus wenige Wochen später, am 4. Dezember, vor der Sonne vorbeiziehen müsste. Ein großer Zufall! Trotz unbeständigen Wetters gelang Horrocks und einem Freund die erste und damals einzige nachgewiesene Beobachtung des Venus-Transits.

Im Jahre 1716 beschäftigte sich der britische Astronom Edmond Halley mit Venus-Passagen und stieß dabei auf eine Methode, wie sich aus deren Beobachtungen von verschiedenen Orten auf der Erde aus die Distanz zwischen Erde und Sonne ermitteln lässt. Diese Größe, Astronomische Einheit genannt, spielt in der Planetenforschung eine fundamentale Rolle: Mit ihrer Kenntnis kann man aus den einfach messbaren Umlaufzeiten der Planeten um die Sonne unmittelbar alle Abstände berechnen – und damit die Größe des gesamten Sonnensystems. Außerdem können die Forscher daraus die Masse der Sonne ermitteln. Halley erlebte den Triumph seiner Methode nicht mehr. Er starb 1742 – und somit vor den nächsten Transits 1761 und 1769.

Weite Reisen wegen eines Schattens

Mit einem bis dahin beispiellosen Einsatz richteten zahlreiche Forscher Expeditionen bis in die entlegensten Winkel der Erde aus, um diese Ereignisse zu beobachten. Der berühmteste Teilnehmer war James Cook, der sich nach Tahiti aufmachte und 1769 dort das Himmelsereignis verfolgte. Die Expeditionen erbrachten damals den bis dahin genauesten Wert der Astronomischen Einheit: 153,3 Millionen Kilometer. Korrekt sind es 149,6 Millionen Kilometer. Durch Radarmessungen ist der Wert heute bis auf wenige Meter genau bekannt.

Berühmt wurde die Transit-Expedition des Astronomen Guillaume Joseph Le Gentil. 1760 verließ er den Hafen von Brest in Richtung Indien. Politische Wirren und schlechtes Wetter verhinderten die Beobachtungen der Transits von 1761 und 1769. Nach elf Jahren und zwei Schiffbrüchen kehrte er in die Heimat zurück. Dort hatte ihn seine Familie inzwischen für tot erklärt und seinen Besitz aufgeteilt. Le Gentil heiratete nach einiger Zeit eine reiche Erbin und starb 1792 friedlich in seinem Bett. Als späte Ehrung wurde 1961 ein Mondkrater nach ihm benannt.

Heute sind Venus-Transits für Astronomen in zweierlei Hinsicht interessant. Einerseits zum Studium der Venus-Atmosphäre: Wenn die Venus am Ende des Transits etwa zur Hälfte außerhalb der Sonnenscheibe steht, leuchtet ihr Rand dort schwach auf (siehe Foto auf S. 64). Diese Aureole entsteht durch Lichtbrechung des Sonnenlichts in der Atmosphäre. Thomas Widemann vom Observatorium Paris und Paolo Tanga vom Observatorium Côte d’Azur werden dieses Jahr mit acht speziellen Fernrohren die Aureole beobachten. Die Messdaten ergänzen dann jene von der Raumsonde Venus-Express, die gleichzeitig die Atmosphäre aus der Umlaufbahn beobachtet. „Wir können die gesamte Temperaturverteilung von Pol zu Pol messen und diese mit den Venus-Express-Daten vergleichen“, freut sich Widemann.

Interessant ist der 6. Juni auch für Exoplanetenforscher. Wie bei einem Venus-Transit können extrasolare Planeten vor ihrem Stern vorbeiziehen. Dabei verringert sich zum einen die Helligkeit des Sterns geringfügig, was den Nachweis der unsichtbaren Begleiter ermöglicht. Danach suchen zum Beispiel die Weltraumteleskope Corot und Kepler. Gleichzeitig lassen sich mit Spektrographen auch die Atmosphären der Exoplaneten studieren – ganz analog zu Widemanns Venus-Beobachtungen. Das ist dort zwar ungleich schwieriger als bei der Venus, doch können Astronomen so die Methode und deren Empfindlichkeit testen.

Der Mond als bleicher Spiegel

Das hat eine Gruppe um Alfred Vidal-Madjar vom Astrophysikalischen Institut Paris vor. Sie beobachtet den Venus-Transit sogar mit dem Weltraumteleskop Hubble. Da man hiermit auf keinen Fall direkt in die Sonne blicken darf, verwendet Vidal-Madjar den Mond gewissermaßen als bleichen Spiegel, der das Sonnenlicht schwach reflektiert. „Auf diese Weise hoffen wir, Kohlendioxid, Schwefeldioxid und Ozon sowie die Dunstschicht am oberen Rand der Venus-Atmosphäre nachweisen zu können“, sagt Vidal-Madjar.

Die Methoden haben die Forscher bereits 2004 ausprobiert. Jetzt sollen sie mit optimierter Strategie bessere Resultate liefern. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich erst wieder 2117. ■

von Thomas Bührke

Tipps für die Beobachtung

Der Venus-Transit lässt sich nur nördlich von etwa 67 Grad Breite komplett verfolgen, weil dort die Sonne nicht untergeht. Möglich ist das auch in Ostasien, etwa in Peking und Tokio, sowie in Australien. In Westeuropa ist die schwarze Venus nach Sonnenaufgang für maximal etwa zwei Stunden zu sehen. Der Transit endet fast überall gegen 6.55 Uhr Sommerzeit. Grundsätzlich gilt: Weiter östlich ist das Naturschauspiel besser zu erkennen.

Berlin: Sonnenaufgang 4.46 Uhr

Stuttgart: Sonnenaufgang 5.22 Uhr

Wien: Sonnenaufgang 4.55 Uhr

Bern: Sonnenaufgang 5.37 Uhr

Achtung: Schauen Sie niemals direkt in die Sonne, sondern nur durch Spezialfilter, sonst drohen Augenschäden!

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Internet

Ausführliche Hintergrundinformationen: www.venustransit.de www.transitofvenus.org

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