Bei den Charaktereigenschaften und Begabungen des Menschen gibt es natürlich eine enorme Bandbreite, die nicht fest an das Geschlecht gebunden ist. Dennoch scheint es aber Tendenzen zu geben: Studien haben beispielsweise gezeigt, dass Männer durchschnittlich etwas mehr räumliches Vorstellungsvermögen besitzen, wohingegen Frauen eher bei sozialen Fähigkeiten punkten. Strukturelle Untersuchungen legen ebenfalls nahe, dass bestimmte Hirnbereiche bei Frauen und Männern unterschiedlich stark entwickelt sind. Die Forscher um Madhura Ingalhalikar von der University of Pennsylvania in Philadelphia sind nun der Frage nachgegangen, welche geschlechtsspezifischen Unterschiede es im Netzwerk des Gehirns gibt.
Möglich wurde dies durch eine Technik, die sich Diffusions-Tensor-Bildgebung nennt. Dieses bildgebende Verfahren kann die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen in Körpergeweben mittels Magnetresonanztomografie erfassen, ohne dass dafür Eingriffe oder die Einnahme von Kontrastmitteln nötig sind. Die so gewonnenen Informationen lassen Rückschlüsse auf den Verlauf und die Verbindungen von Nerven im Gehirn zu. Ingalhalikar und seine Kollegen haben dieses Verfahren bei insgesamt 949 weiblichen und männlichen Probanden im Alter von 8 bis 22 Jahren durchgeführt. So konnten sie Modelle des Netzwerkes im Gehirn, des sogenannten Konnektoms, jedes Einzelnen anfertigen und sie untereinander vergleichen.
In der Pubertät ändern sich die Netzwerke
Den Auswertungen der Forscher zufolge sind die Verbindungen zwischen den beiden Hälften des Großhirns bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern. Dafür ist bei den Herren die Vernetzung innerhalb der rechten beziehungsweise linken Großhirnhälfte intensiver. Das Umgekehrte scheint wiederum beim Kleinhirn der Fall zu sein: Hier ist bei den Männern die Vernetzung zwischen den Hemisphären besser, bei den Frauen hingegen innerhalb der beiden Teile. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede fanden die Forscher allerdings nur bei Probanden, die älter als 13 Jahre waren. Vermutlich entsteht der Unterschied also erst im Laufe der Pubertät.
Was die Ergebnisse allerdings nun genau bedeuten, bleibt Spekulation. Den Forschern zufolge könnte das Konnektivitäts-Muster Männern Vorteile bei der Umsetzung von Wahrnehmungen in Handlungen verschaffen. Für das eine sind nämlich Regionen im hinteren Hirn-Bereich, für das andere im vorderen zuständig. Die gute Vernetzung innerhalb der Hirnhälften des Großhirns könnte in diesem Zusammenhang einen schnellen Brückenschlag sichern. Bei den Frauen könnten hingegen die Verbindungen zwischen linker und rechter Hemisphäre die Verknüpfung von Information, Intuition und Analytik begünstigen, so eine Vermutung der Forscher.