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Stechmücken schnüffeln, bevor sie blicken

Erde|Umwelt

Stechmücken schnüffeln, bevor sie blicken
Blick in die Arena, in der die Forscher den Mücken visuelle Objekte und Gerüche präsentiert haben. (Bild: Kiley Riffell)

Blutgierig surren sie durch die Luft, stets auf der Suche nach Opfern… Doch wie gehen Stechmücken dabei eigentlich vor? Durch skurrile Experimente und raffinierte Einblicke ins Mückengehirn haben Forscher nun interessante Informationen gewonnen, wie die Blutsauger uns durch ihre sensorischen Systeme ausfindig machen. Demnach liefert der Geruchssinn den Insekten das „Halt-Ausschau-Signal“: Erst nachdem die Mücke einen geruchlichen Hinweis aufgeschnappt hat, schärft sich ihr Sehsinn und sie scannt gezielt die Umgebung nach der Silhouette eines möglichen Opfers.

Sie sind lästige Plagegeister und gefährliche Krankheitsüberträger. Doch die Stechmücken kann man durchaus auch mit Bewunderung betrachten, denn es handelt sich bei diesen Insekten eindeutig um faszinierende Erfolgsmodelle der Evolution: Ein raffiniert abgestimmtes Gesamtkonzept aus Fähigkeiten, Werkzeugen und Sensorsystemen ermöglicht es ihnen, sich eine ganz besondere Nahrungsquelle zu erschließen: Blut. Der Erforschung der winzigen Vampire widmet sich bereits seit einiger Zeit ein Forschungsteam um Jeffrey Riffell von der University of Washington in Seattle. Bei der aktuellen Studie stand nun die Frage im Fokus, wie die Insekten bei der Opfersuche mit ihren sensorischen Systemen umgehen – konkret, welche Verknüpfungen es zwischen ihrem Geruchs- und Sehsinn gibt.

Ein „Näschen“ für Kohlendioxid

Bekannt ist bereits, dass Mücken Schwankungen des Kohlendioxidgehalts in der Luft erschnüffeln können und diese Information bei der Opfersuche nutzen. „Unser Atem ist mit CO2 beladen, deshalb kann dieses Gas den Mücken als Lockstoff mit großer Reichweite dienen: Sie wittern potenzielle Opfer noch in einer Entfernung von über 30 Metern“, sagt Riffell. Frühere Untersuchungen seines Forscherteams haben bereits Hinweise darauf geliefert, dass die Wahrnehmung von CO2 wiederum das visuelle System der Mücken schärft, damit sie anschließend gezielt nach dem Opfer Ausschau halten. Diesem Verhalten sind die Wissenschaftler nun genauer nachgegangen: Sie haben detailliert erfasst, wie CO2 das Flugverhalten der Insekten verändert und wie das Mückengehirn auf Kombinationen von Geruchs- und Seheindrücken reagiert.

Als Versuchstiere dienten den Forscher Stechmücken der Art Aedes aegypti. Für ihre Experimente haben Riffell und seine Kollegen ein ausgesprochen raffiniertes System entwickelt: Es handelt sich um eine kreisförmige Arena mit einem Durchmesser von etwa 18 Zentimetern. Die jeweilige Versuchs-Mücke befindet sich in der Mitte – ihr Körper ist an einem feinen Wolframdraht befestigt, sodass sie ihre Flügel noch frei bewegen kann. Das System verfügt über einen optischen Sensor, der das Flügelschlagverhalten exakt erfassen kann, sowie über ein feines Ventil, durch das sich Luft in die Arena leiten lässt. Deren Wände sind mit einem LED-Display ausgekleidet, das dem Insekt verschiedene visuellen Reize vermitteln kann.

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Durch ihre Experimente konnten die Forscher dokumentieren: Luftstöße von einer Sekunde Dauer, die fünf Prozent CO2 enthielten, veranlassten die Mücken dazu, schneller mit ihren Flügeln zu schlagen. Was die Effekte der Seheindrücke betrifft, zeigte sich, dass einige – wie etwa ein sich schnell bewegendes Sternenfeld – das Verhalten der Mücken kaum beeinflussten. Wenn sich in der Arena allerdings ein horizontaler Balken bewegte, erhöhten die Mücken den Flügelschlag und versuchten, in die jeweilige Bewegungsrichtung des Balkens zu steuern. Dabei zeigte sich zudem: Diese Reaktion war besonders ausgeprägt, wenn die Forscher vor dem Anzeigen des Balkens eine CO2-Portion freigesetzt hatten. „Wenn Mücken CO2 riechen, wenden sie sich einem verdächtigen Objekt in ihrem Sehfeld deutlich intensiver zu als ohne CO2“, resümiert Riffell.

Mücken ins Gehirn geblickt

Doch er und seine Kollegen wollten es noch genauer wissen und griffen deshalb zu raffinierten gentechnischen Methoden: Die Forscher wiederholten die Arena-Experimente mit Tieren einer genetisch veränderten Mücken-Zuchtlinie, die sie extra für ihre Forschung entwickelt haben. Der Clou: Wenn Nerven im Gehirn dieser Insekten aktiv werden, leuchten sie grün auf. Um diesen Effekt bei den Experimenten in der Arena erfassen zu können, entfernten die Forscher einen kleinen Teil der Kopfhülle der Mücken. So konnten sie mit einem Mikroskop in Echtzeit die neuronale Aktivität im Gehirn der Insekten erfassen.

Es zeigte sich: Wenn der Mücke ein horizontaler Balken gezeigt wurde, leuchteten zwei Drittel der für das Sehen verantwortlichen Hirnregion auf. Wie sich zeigte, war diese Reaktion allerdings weitaus stärker ausgeprägt, wenn die Mücken zuvor CO2 gewittert hatten. So konnten die Forscher auch auf neuronaler Eben zeigen: Der Geruchseindruck verstärkt die Wachsamkeit im visuellen System. Umgekehrt ist dies interessanterweise nicht der Fall, zeigten weitere Versuche: Ein zuvor geseher Balken löste im Geruchssystem keine erhöhte Reaktion aus. „Geruch aktiviert das Sehsystem, aber Sehen aktiviert nicht das Geruchssystem“, so Riffell. Wie er und seine Kollegen erklären, erscheint dies auch plausibel: Der Mückengeruchssinn funktioniert über große Entfernungen hinweg, das Sehvermögen ist hingegen auf Objekte ausgerichtet, die nur bis zu etwa sechs Metern entfernt sind.

Riffell und seine Kollegen wollen ihr skurriles Experimentier-System nun auch weiterhin zur Erforschung des Verhaltens und der Gehirnfunktionen der Stechmücken einsetzen. Sie hoffen, dass ihre Ergebnisse neben den grundlegenden Informationen zur Biologie dieser interessanten Insekten auch irgendwann praktischen Nutzen bringen: Vielleicht tragen ihre Untersuchungen einmal zur Entwicklung von Strategien bei, die Menschen vor den potenziell gefährlichen Stichen der raffinierten Blutsauger bewahren können.

Quelle: University of Washington, Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2019.06.043

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