Rentiere verlieren im dunklen arktischen Winter oder während der Monate der Mitternachtssonne ihren 24-Stunden-Tagesrhythmus. Das haben norwegische Biologen um Bob van Oort bei der Beobachtung von Rentieren im Norden Norwegens und auf Spitzbergen herausgefunden. In den Zeiten konstanter Dunkelheit im Winter oder stetigen Tageslichts im Sommer können die Tiere ihren Tagesrhythmus nicht mehr an der Tag-Nacht-Folge ausrichten: Die Aktivitäten der Rentiere wie Schlafen, Fressen und Schaukämpfe sind dann zufällig über 24 Stunden verteilt.
Ein ganzes Jahr lang verfolgten die Forscher die 24-Stunden-Aktivität der Tiere und zeichneten mit kleinen Sensoren deren Bewegungen auf. Während der konstanten Dunkelheit im Winter und der Helligkeit im Sommer konnten die Forscher keine Aktivitätsmuster erkennen, die einem 24-Stunden-Rhythmus gehorchten. Auch die leichten Helligkeitsschwankungen etwa durch die Höhe des Sonnenstands im Sommer reichten nicht aus, den Tagesablauf zu strukturieren. Erst als im Frühjahr und Herbst die Sonne wieder auf- und unterging, begann die innere Uhr der Rentiere wieder zu ticken.
Wissenschaftler bezeichnen die im Rhythmus von 24 Stunden ablaufenden Stoffwechselabläufe im Menschen und in Tieren als zirkadiane Uhr. Sie tickt synchron mit dem Tag-Nacht-Rhythmus und steuert etwa die Schlaf- und Wachphasen über den 24-Stunden-Tag. Bei Rentieren ist diese Schrittmacherfunktion weniger ausgeprägt, vermutet der Biologe van Oort, so dass die Tiere lange Abschnitte eines Jahres auch ohne innere Uhr auskommen. Dies müsste auch für alle anderen Polartiere gelten, schreiben die Forscher.
Bob van Oort ( Universität in Tromsø) et al.: Nature, Bd. 438, S. 1095 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer