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Teneriffa: Kaninchen mit fatalen Speisevorlieben

Erde|Umwelt

Teneriffa: Kaninchen mit fatalen Speisevorlieben
Teneriffa
Teneriffa: Kaninchen-Fraßspuren am endemischen Teide-Ginster. (Bild: Universität Frankfurt/ Severin Irl)

Kaninchen sind auf den ersten Blick niedliche Tiere, aber für die Pflanzenwelt vieler Inseln ist ihre Präsenz fatal. Warum, zeigt nun eine Studie auf Teneriffa. Dort fressen die vor gut 500 Jahren eingeführten Kaninchen ausgerechnet die Pflanzen am liebsten, die es nirgendwo anders gibt. Bis zu zwei Drittel dieser endemischen Gewächse sind dadurch geschädigt und viele von ihnen könnten sogar ausgerottet werden, warnen die Forscher.

Das Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) ist einer der erfolgreichsten Pflanzenfresser weltweit – und einer der schädlichsten. Denn die Langohren fressen fast alles, was grün ist und vermehren sich rapide. Einmal in eine neue Umgebung eingeführt, breiten sich die Kaninchen daher oft nahezu ungehemmt aus. Besonders dramatisch ist dieser Effekt auf Inseln. Oft haben die Fremdlinge dort keine natürlichen Feinde und die heimische Flora ist nicht an die Abwehr pflanzenfressender Säugetiere angepasst.

Auf den Spuren der Kaninchen von Teneriffa

„Die dramatische Auswirkungen der Wildkaninchen auf endemische Pflanzenarten sind gut dokumentiert und in vielen Fällen haben die Tiere Inselökosysteme völlig umgeformt“, erklären Jonay Cubas von der Universität von La Laguna auf Teneriffa und seine Kollegen. Weil Kaninchen beim Weiden leicht verdauliche und wohlschmeckende Gewächse bevorzugen, dezimieren sie oft gerade diese Pflanzen in ihrem Verbreitungsgebiet stark. Doch welche Folgen hat dies für endemische und potenziell seltene Pflanzen auf solchen von Kaninchen kolonisierten Inseln?

Um das zu klären, haben Cubas und sein Team den Kaninchenfraß auf der kanarischen Insel Teneriffa näher untersucht. Die Langohren wurden dort schon im 15. Jahrhundert von spanischen Siedlern eingeführt und haben sich seither über alle Lebensräume der Insel ausgebreitet. „Teneriffa ist eine der vielseitigsten Inseln der Kanaren, denn sie umfasst eine Reihe sehr verschiedenen Ökosysteme – von wüstenartigen Küstengebieten über immergrüne Tropenwälder bis zu alpinen Matten“, erklären die Forscher. Deshalb gebe es auf Teneriffa mehr endemische Pflanzenarten als auf jeder anderen Meeresinsel des Atlantiks. Für ihre Studie kartierten die Forscher typische Bissspuren von Kaninchen in Probenflächen verschiedenster Habitate.

Endemische Pflanzen bevorzugt

Das Ergebnis: In fast allen Gebieten fanden die Wissenschaftler Spuren der Fraßtätigkeit von Kaninchen. Am stärksten betroffen waren dabei Pflanzen in den offenen und halboffenen Landschaften höhergelegener Gebiete. Auffällig jedoch: Selbst im gleichen Gebiet schienen die Kaninchen endemische Gewächse besonders häufig fressen. „Unter den endemischen Arten zeigten 67 Prozent Schäden durch Kaninchenfraß“, berichten Cubas und seine Kollegen. „Bei den nichtendemischen oder nichtheimischen Arten waren dagegen im Schnitt nur 30 Prozent geschädigt.“

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Je spezifischer und einzigartiger eine Pflanze war, desto besser schien sie den Langohren zu schmecken. Die Fraßschäden an den nur auf Teneriffa vorkommenden Arten waren deutlich häufiger als an Pflanzen, die auch auf anderen Kanareninseln oder im Mittelmeerraum wachsen. „Als Folge hemmt der anhaltende Fraßdruck der eingeführten Pflanzenfresser die Regeneration der endemischen Pflanzenarten oder verhindert sie sogar ganz“, sagen die Forscher. „Auf Teneriffa sind dadurch 40 Prozent aller Pflanzenarten und bis zu zwei Drittel der endemischen Spezies durch den Kaninchenfraß beeinträchtigt.“

Wehrlose Gewächse schmecken besonders gut

Warum aber fressen die Kaninchen ausgerechnet die seltenen und endemischen Gewächse? Einen möglichen Grund sehen die Biologen in der fehlenden Abwehr dieser Pflanzen. Weil es früher keine solchen Pflanzenfresser auf der Insel gab, haben die heimischen Pflanzen keine speziellen Abwehrstrategien gegen pflanzenfressende Säugetiere entwickelt, wie beispielsweise giftige oder übelschmeckende Inhaltsstoffe oder Stacheln. „Das macht sie für eingeführte generalistische Herbivoren wie Wildkaninchen, Mufflons oder Ziegen besonders schmackhaft“, erklären Cubas und seine Kollegen.

„Wir gehen davon aus, dass diese Ergebnisse auch für andere Inseln weltweit gelten, da Teneriffa durch seine Vielfältigkeit und seine Vielzahl an Ökosystemen und Habitaten als Modelsystem für Inseln gelten kann“, sagt Co-Autor Severin Irl von der Goethe-Universität Frankfurt. Sie empfehlen den Naturschutzbehörden der Kanaren, den Kaninchenbestand auf der Insel stark einzudämmen.

Quelle: Jonay Cubas (Universidad de La Laguna, Teneriffa) et al., Proceedings of the Royal Society B, doi: 10.1098/rspb.2019.0136

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