Die Spätfolgen von Asbestkontakt werden bei vielen Arbeitnehmern erst jetzt sichtbar. Jedes Jahr erkranken in den Industrieländern rund 30.000 Frauen und Männer neu an Lungenkrebs oder bösartigen Tumoren des Rippen- oder Bauchfells, weil sie in der Vergangenheit beruflich mit Asbest zu tun hatten.
Wie Mediziner jetzt auf dem jährlichen Kongress der
European Respiratory Society (ERS) in Berlin mitteilten, ist der Höhepunkt der Erkrankungen noch nicht erreicht. „Wir müssen bis zum Jahr 2010 oder 2020 mit einer stetigen Zunahme von Krebserkrankungen durch Asbest rechnen“, warnte der Arzt Marc Letourneux vom französischen CHU Hôpital de la Côte de Nacre in Caen. Trotz der Ächtung des Materials sei die Gefahr noch nicht vorüber. Nach dem Einatmen der vom Körper nicht abbaubaren Asbestfasern kann es 35 Jahre und länger dauern, bis Krebs auftritt. Länder, die in den 60er und 70er Jahren Asbest intensiv nutzten, säßen heute auf einer tickenden Zeitbombe.
Obwohl die Herstellung und Verwendung von Asbest in vielen Ländern inzwischen verboten oder eingeschränkt ist, wurden letztes Jahr weltweit noch rund zwei Millionen Tonnen Asbest produziert. Spitzenreiter seien die GUS mit 700.000 Tonnen, China mit 450.000 Tonnen und Kanada mit 335.000 Tonnen, berichteten Forscher vom Finnish Institute of Occupational Health in Helsinki. Zum Einsatz kommt Asbest inzwischen vorwiegend in Ländern der Dritten Welt. In Deutschland wurde es vor seinem Herstellungsverbot im Jahre 1993 in über 3.000 Produkten des täglichen Lebens verarbeitet – von Kabelisolierungen bis zu Blumenkästen.
Almut Bruschke-Reimer