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Tintenfische fressen vorausschauend

Erde|Umwelt

Tintenfische fressen vorausschauend
Auch in der Nordsee gibt es Vertreter der cleveren Tintenfische. (Bild: Pauline Billard)

Erstaunlich: Mensch und Tintenfisch passen ihr Essverhalten in ähnlicher Weise an die Zukunftsaussichten an, legen Studienergebnisse nahe. Wenn ein köstliches Abendessen auf uns wartet, schlagen wir uns vorher nicht den Magen mit gewöhnlichem Brot voll. Analog dazu halten sich die cleveren Kopffüßer bei der Jagd nach eher faden Strandkrabben zurück, wenn sie wissen, dass es abends leckere Garnelen gibt. Dieses vorausschauende Verhalten belegt erneut die erstaunliche Intelligenz der skurrilen Meeresbewohner, sagen die Wissenschaftler.

Wuselnde Arme mit Saugnäpfen, drei Herzen, blaues Blut… Viele Merkmale der Tintenfische unterscheiden sich von denen der Wirbeltiere deutlich. Der Grund dafür ist, dass sich die Entwicklungslinie der Kopffüßer bereits vor etwa 550 Millionen Jahren von der unserer Vorfahren trennte. Erstaunlicherweise besitzen sie aber dennoch eine Eigenschaft, die sie sogar mit den am höchsten entwickelten Vertretern der Säugetiere verbindet: Tintenfische besitzen ein komplexes Nervensystem, das ihnen komplexe kognitive Leistungen ermöglicht. Tintenfische können lernen und Aufgaben lösen, haben bereits verschieden Untersuchungen gezeigt. Die Studie der Forscher um Pauline Billard von der University of Cambridge belegt nun eine weitere erstaunliche Fähigkeit: Tintenfische entwickeln auf der Grundlage von Erfahrungen Erwartungen an die Zukunft und passen ihr Verhalten entsprechend an.

Leckere Shrimps im Sinn

Die Forscher führten ihre Untersuchungen am Gewöhnlichen Tintenfisch (Sepia officinalis) durch, der auch an den Küsten Europas weit verbreitet ist. Es handelt sich um einen Vertreter der Zehnarmigen Tintenfische, der bis zu etwa einen halben Meter lang wird und bis zu vier Kilogramm wiegen kann. Die Kopffüßer erbeuten mit ihren Tentakeln geschickt verschiedene Meerestiere – wie Fische, Krabben und Garnelen. Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher zunächst ausgelotet, ob die Tiere bestimmte Vorlieben beim Futter haben. Um dies zu testen, präsentierten sie ihren Versuchstieren junge Strandkrabben und etwa gleichgroße Garnelen im gleichen Abstand. So zeigte sich: Tintenfische haben eine starke Vorliebe für die Shrimps.

Bei den folgenden Experimenten, gingen die Forscher dann der Frage nach, inwieweit diese Präferenz das Verhalten der tierischen Feinschmecker prägt. Zunächst erfassten sie, wie viele Krabben ihre Versuchstiere normalerweise verspeisten, wenn es keine Shrimps gibt. Anschließend gewöhnten die Forscher ihre Versuchstiere an abendlichen Luxus: Stets zur gleichen Zeit gab es die leckeren Garnelen.

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Verlässliche Festgelage plant „Tinti“ ein

Wie die Auswertungen der Futtermengen ergaben, hatte dieses Angebot einen deutlichen Effekt auf den Verzehr von Krabben: Die Tintenfische fraßen tagsüber deutlich weniger von den Strandkrabben als üblich. Dies änderte sich allerdings, wenn sich die Tiere nicht darauf verlassen konnten, dass abends ein Festmahl auf sie wartete, zeigten weitere Experimente. Wenn die Forscher die Tintenfische nur an zufällig verteilten Abenden mit Garnelen versorgten, fraßen sie tagsüber wieder mehr Krebse. Der Interpretation der Forscher zufolge konnten die Tiere aufgrund der zufälligen Bereitstellung ihres Lieblingsfutters nicht mehr planen und stellten daher über den Verzehr der Krabben lieber sicher, dass sie auf ihre Tagesration an Futter kommen. „Es war überraschend zu sehen, wie schnell die Tintenfische ihr Fressverhalten an die aktuellen Regeln anpassten: In nur wenigen Tagen erfassten sie, wie wahrscheinlich es ist, dass es am Abend Garnelen geben wird. Dabei handelt es sich um ein erstaunlich komplexes Verhalten, das nur durch raffinierte Hirnfunktionen möglich ist“, resümiert Billard.

Ihr Kollege Nicola Clayton von der University of Cambridge sagt dazu abschließend: „Diese flexible Futtersuchstrategie zeigt, dass sich Tintenfische aufgrund früherer Erfahrungen schnell an Veränderungen in ihrer Umgebung anpassen können. Diese Entdeckung könnte neues Licht auf die evolutionären Ursprünge solch komplexer kognitiver Fähigkeiten werfen“, so der Wissenschaftler.

Quelle: University of Cambridge, Fachartikel: Biology Letters, doi: 10.1098/rsbl.2019.0743

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