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Tintenfische sehen in 3D

Erde|Umwelt

Tintenfische sehen in 3D
Tintenfisch
Tintenfisch mit 3D-Brille. (Bild: Trevor Wardill)

Tintenfische sind geschickte Jäger. Um ihre Beute zu erwischen, verlassen sich die Kopffüßer vorwiegend auf ihre Augen. Doch sehen die Tiere auch dreidimensional? Dieser spannenden Frage sind Forscher nun nachgegangen: indem sie Tintenfische ins 3D-Kino setzten. Ihre Experimente bestätigen, dass die Kopffüßer die Welt tatsächlich räumlich und mit Tiefenwirkung wahrnehmen. Diese Fähigkeit zum stereoskopischen Sehen ist zwar bei Wirbeltieren weit verbreitet. Unter wirbellosen Arten ist sie jedoch nur von noch einem weiteren Tier bekannt.

Der Mensch nimmt die Welt um sich herum dreidimensional wahr. Diese Fähigkeit zum räumlichen Sehen verdankt er der Tatsache, dass er zwei Augen besitzt. Sie nehmen die Umgebung aus leicht unterschiedlicher Perspektive wahr – im Gehirn werden die Informationen des rechten und linken Auges dann zu einem Gesamtbild mit Tiefenwirkung verrechnet. Im Kino geht dieser räumliche Eindruck in der Regel weitestgehend verloren. Doch mithilfe einiger technischer Kniffe ist auch beim Filmeschauen 3D-Erleben möglich: Die Produzenten müssen dafür leidglich mit zwei „Kameraaugen“ filmen. Im Kinosaal gilt es dann dafür zu sorgen, dass die Bilder der linken und rechten Kamera ins jeweils richtige Auge gelangen. Dies funktioniert mithilfe spezieller 3D-Brillen.

Kopffüßer im 3D-Kino

Ob auch Tintenfische Filme und die Welt um sich herum räumlich wahrnehmen können, haben nun Forscher um Rachael Feord von der University of Cambridge untersucht. Die Augen der Kopffüßer sind unseren und denen anderer Wirbeltiere sehr ähnlich, ihr Gehirn ist allerdings deutlich anders strukturiert. Sind die Tiere trotzdem zum sogenannten stereoskopischen Sehen fähig? Um dies herauszufinden, schickten Feord und seine Kollegen elf erwachsene Tintenfische der Art Sepia officinalis ins 3D-Kino: Sie trainierten die Tiere, 3D-Brillen zu tragen und Garnelen auf einem Bildschirm anzugreifen. Für die Brillen nutzten sie das bekannte Anaglyphen-Verfahren, bei dem die Bildtrennung durch die Verwendung von Farbfiltern erfolgt. Im entscheidenden Experiment wurden den bebrillten Tintenfischen zwei perspektivisch leicht verschobene Bilder gezeigt, die – mit beiden Augen gemeinsam betrachtet – die Illusion einer vorbeilaufenden Garnele erzeugten. Dabei erschien das Beutetier dank des 3D-Effekts entweder vor oder hinter dem Bildschirm. Würden auch die Kopffüßer dies so wahrnehmen?

Tatsächlich zeigte sich: Abhängig vom präsentierten Effekt streckten die Tintenfische ihre Arme entweder zu kurz oder zu weit nach den Garnelen aus. Dies legt nahe, dass sie tatsächlich die vom rechten und linken Auge wahrgenommenen Bilder vergleichen, um Distanzen beweglicher Objekte abzuschätzen. „Der Reaktion der Tintenfische zufolge können die Tiere dreidimensional Sehen und nutzen dies bei der Jagd“, erklärt Mitautor Trevor Wardill von der University of Minnesota in St. Paul. Weitere Experimente bestätigten dieses Ergebnis: „Wenn nur ein Auge die Garnele sehen konnte, Stereosehen also nicht möglich war, brauchten die Tintenfische deutlich länger, um sich richtig zu positionieren“, berichtet Wardill. Die Tiefenwahrnehmung scheint für den Jagderfolg der Kopffüßer somit entscheidend zu sein.

Erster Beleg für Stereosehen

Wie die Wissenschaftler betonen, liefert ihre Untersuchung den ersten eindeutigen Beleg für stereoskopischen Sehen bei Tintenfischen. Bisher galten Gottesanbeterinnen als die einzigen wirbellosen Tiere, die ihre Augen im Tandem nutzen und eine solche dreidimensionale Wahrnehmung besitzen. Doch wie genau funktioniert das 3D-Sehen bei den Kopffüßern? Interessanterweise stellte sich heraus, dass die Tiere wahrscheinlich einen anderen Mechanismus dafür nutzen als der Mensch. Denn sie konnten die Bilder des rechten und linken Auges offenbar auch dann verlässlich zu einer Szene mit Tiefenwirkung verrechnen, wenn die beiden Bilder von umgekehrter Helligkeit waren. Wirbeltieren und auch Gottesanbeterinnen gelingt dies den Forschern zufolge nicht verlässlich.

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„Unsere Studie bringt uns einen Schritt näher dahin zu verstehen, wie unterschiedlich sich Nervensysteme entwickelt haben, um das gleiche Problem zu lösen“, konstatiert Feord. Was beim räumlichen Sehen im Gehirn der Tintenfische allerdings genau passiert, müssen nun erst weitere Untersuchungen enthüllen. „Es ist mehr Forschung nötig, um die dem Stereosehen zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen bei diesen Tieren zu entschlüsseln“, so das Fazit des Teams. Klar ist aber in jedem Fall: Mit ihrem Talent zum 3D-Sehen haben die Kopffüßer wieder einmal für Überraschung gesorgt. Tintenfische sind inzwischen bekannt dafür, faszinierende Fähigkeiten zu besitzen – seien es ihre raffinierten Tarntricks oder ihre erstaunliche Cleverness.

Quelle: Rachael Feord (University of Cambridge) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aay6036

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