Thaut vermutet, dass der Mechanismus dem Gehirn hilft, unsere Bewegungen an Geschehnisse in der Umwelt anzupassen. Das sei für unsere Vorfahren überlebenswichtig gewesen, meint der gebürtige Hamburger. Habe ein Zweig geknackt oder das Laub geraschelt, konnten sie ohne lange zu zögern wegrennen. Heute dagegen helfe die Direktverbindung im Gehirn Patienten beim Erlernen von Bewegungen, sagt Thaut. Neben Schlaganfall-Patienten üben auch Parkinson- und Huntingtonkranke in seinem Zentrum das Gehen mit Musik.
Dabei hilft Musik nicht nur beim Erlernen von rhythmischen Bewegungen wie Gehen. Kürzlich konnte das Team zusammen mit Volker Hömberg von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf zeigen, dass Musik auch willensgesteuerte Armbewegungen verbessern kann. So konnten Schlaganfallpatienten nach einer Musiktherapie zielgerichteter nach einem Gegenstand greifen als zuvor. Offenbar unterstütze Musik alle Aspekte einer Bewegung, nicht nur die rhythmischen, sagt Thaut.
Den Effekt wollen Bonner Forscher nun auch im Spitzensport nutzen. Die Sportwissenschaftler Heinz Mechling und Alfred Effenberg von der Universität Bonn haben eine in Deutschland einmalige Technik entwickelt: Sie vertonen die Bewegungen von Sportlern. Dazu bestimmen sie die während einer Bewegung wirkenden Kräfte an verschiedenen Punkten des Körpers. Bei Brustschwimmern etwa messen sie am Körperschwerpunkt und an den Fuss- und Handgelenken. Auch eine Reckstange mit Messgeräten und eine Tanzplatte sind in ihren Labors installiert. Die Daten der Kraftmessungen werden dann von einem Computer in Töne umgerechnet, erläutert Mechling gegenüber der Nachrichtenagentur ddp. Diese Klangwelten sollen dem Sportler vor allem vermitteln, in welchem zeitlichen Ablauf er seine Kräfte einsetzen muss, um sich möglichst geschmeidig zu bewegen. Das könne man etwa aus einer Videoaufzeichnung nicht ersehen, sagt Mechling. In ersten Versuchen konnten Spitzensportler tatsächlich nur aus den Klängen die Bewegungen in vielen Details nachvollziehen. Auch Lerneffekte durch das Hören der Töne konnten die Forscher in Tests mit Studenten der Universität Bonn nachweisen. Dabei sollen die Klänge Sportler auf verschiedenste Weise unterstützen, sagt Mechling. Um neue Bewegungen zu erlernen, würden sie die Töne zusammen mit Videoaufzeichnungen vorführen. Bei einigen Sportarten sei es aber auch möglich, die Töne direkt beim Turnen zu erzeugen. Die Sportler könnten dann versuchen, ihr Klangmuster dem von Spitzensportlern anzugleichen. Zur Zeit suchen die Bonner Forscher einen Industriepartner, der die Technologie in ein Produkt umsetzt. Dieses könnte in einem Jahr auf dem Markt sein, hofft Mechling. Die Klangwelten sollen dann nicht nur Sportlern helfen. Auch Opfer von Hirnschlägen wie der Patient K. könnten zum Klang von Schritten das Gehen leichter erlernen.