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Trotz Kennzeichnung: Wo sich Gentechnik im Supermarkt versteckt

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Trotz Kennzeichnung: Wo sich Gentechnik im Supermarkt versteckt
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Seit 2004 müssen in der EU Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Bestandteilen gekennzeichnet werden. Bisher sind allerdings kaum derartige Produkte auf dem Markt. Dennoch könnten dem Verbraucher immer wieder genmanipulierte Nahrungsmittel begegnen: In geringen Spuren dürfen sie in allen Lebensmitteln enthalten sein.

Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind in deutschen Supermärkten bisher kaum zu finden. Sie müssen gekennzeichnet sein – und viele Hersteller trauen sich mit kennzeichnungspflichtigen Produkten noch nicht auf den Markt. Doch gänzlich frei von Gentechnik ist auch das heutige Lebensmittelsortiment nicht: Gentechnisch veränderte Bestandteile dürfen in geringen Spuren in allen Lebensmitteln vorhanden sein. Auch müssen Milch oder Fleisch von Tieren, die mit genmanipulierten Pflanzen gefüttert wurden, nicht gekennzeichnet werden.

Mit der vereinfachenden Bezeichnung “Gen-Food” sind Lebensmittel gemeint, bei deren Herstellung auf irgendeine Weise gentechnische Verfahren beteiligt waren. Gene an sich sind in jeder Zelle enthalten. Mit jedem Lebensmittel, das Pflanzen-, Tier- oder Bakterienzellen enthält, nimmt der Mensch massenweise Gene auf, die bei der Verdauung in ihre Bestandteile zerlegt werden. Täglich Millionen artfremder Gene zu verzehren, ist für die Menschheit also nichts Neues.

Auch die Kreuzung verwandter Arten und damit der Austausch von Genen sind altbekannt. Doch über diesen natürlichen Austausch hinaus werden bei der Gentechnik fremde Gene von nicht verwandten Organismen gezielt in andere Organismen eingepflanzt. Der gentechnisch veränderte Organismus (GVO) erhält dadurch die gewünschten Eigenschaften eines anderen Lebewesens.

Ginge es nur um die veränderten Gene, bräuchte sich niemand Gedanken um sein Essen zu machen – schließlich sind die Substanz, aus der die eingefügten Gene bestehen, und die natürlich vorkommende Erbsubstanz chemisch absolut identisch. Doch die Gene tragen Informationen, die von lebenden Organismen abgelesen und in Eiweißmoleküle umgesetzt werden. Und genau da liegt das Problem: Diese Proteine können beispielsweise Allergien auslösen oder zu Unverträglichkeiten führen. Aus diesem Grund muss etwa ein Nussallergiker wissen, ob ein Sojaprodukt möglicherweise Nussgene – und damit auch Nusseiweiße – enthält.

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Sollten die Lebensmittelhersteller zukünftig vermehrt GVO-Produkte auf den Markt bringen, kann die Kennzeichnung allerdings schon bei einer einfachen Tiefkühlpizza kompliziert werden: Bei den Tomaten auf der Pizza könnte es sich um gentechnisch veränderte Anti-Matsch-Tomaten handeln, der Käse könnte mittels Milchsäurebakterien mit verändertem Erbgut hergestellt worden sein und das verwendete Öl stammt von dank Gentechnik herbizidresistentem Raps. In diesem Beispiel ist die Tomate selbst ein GVO, der Käse enthält GVO und das Öl wurde aus einem GVO gewonnen.

Interessant beim Öl von gentechnisch verändertem Raps ist, dass es sich nicht von herkömmlichem Rapsöl unterscheidet. Kein Labor der Welt kann dieses GVO-Produkt durch Untersuchungen erkennen. Ob nachweisbar oder nicht, alle drei Fälle müssen gekennzeichnet werden. Das gilt seit April 2004 EU-weit.

Anders sieht es beim Schokoladenpudding zum Nachtisch aus: Der Pudding könnte etwa Maisstärke enthalten, in die unbeabsichtigt ein halbes Prozent gentechnisch veränderte Bestandteile geraten sind, und Milch von Kühen, die mit gentechnisch verändertem Pflanzenmaterial gefüttert wurden. Doch keine der Puddingzutaten muss den “gentechnisch verändert”-Vermerk auf dem Etikett tragen: Kleine Mengen von GVO wie im Fall der Maisstärke im Pudding sieht der Gesetzgeber locker. Denn Spuren können leicht schon beim Anbau durch Pollenflug vom Nachbarfeld hineingelangen, aber auch beim Transport oder bei der Herstellung lässt sich eine leichte Vermischung nicht immer vermeiden. Unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Spuren von bis zu 0,9 Prozent verpflichten daher nicht zur Kennzeichnung.

Ebenfalls müssen Milch, Eier oder Fleisch von Tieren, die mit GVO gefüttert wurden, nicht gekennzeichnet sein, denn sie enthalten keinen gentechnisch veränderten Bestandteil. Der Umweltorganisation Greenpeace ist diese Regelung ein Dorn im Auge. Gentechnisch veränderte Pflanzen würden nicht “reingewaschen”, indem sie verfüttert werden, kritisiert Marcus Nürnberger, bei Greenpeace als Sprecher für Gentechnik zuständig, gegenüber ddp.

Die freiwillige Aufschrift “Ohne Gentechnik” ist Produkten vorbehalten, bei denen der Einsatz von GVO auf allen Verarbeitungsstufen einschließlich der Fütterung ausgeschlossen ist. Einzig sehr geringe unvermeidbare Spuren toleriert der Gesetzgeber sogar in “Ohne Gentechnik”-Waren.

Ob alle Produkte halten, was ihre Kennzeichnung verspricht, überprüfen die amtlichen Lebensmittelüberwacher der Bundesländer. Schwierig sei dies bei solchen Produkten, bei denen durch chemische Analysen im Nachhinein nicht festgestellt werden kann, ob es aus GVO hergestellt wurde oder nicht, erklärt der Lebensmittelchemiker Hans-Ulrich Waiblinger vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg.

Zwar muss bei allen Lebensmitteln aus GVO über die gesamte Liefer- und Verarbeitungskette lückenlos dokumentiert werden, dass GVO-Rohstoffe verwendet wurden – bei nicht gekennzeichneten Produkten beruhe die Überprüfung aber häufig allein auf der vorhandenen Dokumentation des Herstellers, der Lieferanten und Vorlieferanten, so Waiblinger. Der Hersteller muss die Geschichte seiner Lebensmittelzutaten daher genau kennen, selbst wenn seine Rohstoffe auf einem anderen Kontinent wachsen. Nachlässigkeit bei der Kennzeichnung kann mit Bußgeldern bis zu 50.000 Euro bestraft werden, vom Imageverlust bei den Verbrauchern ganz zu schweigen.

ddp/wissenschaft.de – Mareile Müller-Merbach
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