Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Tuberkulose: Per Robbentaxi über den Atlantik

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Tuberkulose: Per Robbentaxi über den Atlantik
14-08-20-tuberkulose.jpg
Südamerikanische Seebären (Arctocephalus australis) (Ricardo Bastida)
Wer brachte die Tuberkulose in die Neue Welt? Bisher galten die spanischen Eroberer als die Überträger, weil die heute in Nordamerika verbreiteten Tuberkulosestämme eng mit den europäischen Varianten verwandt sind. Doch ein internationales Forscherteam hat Kolumbus und Co nun entlastet: Demnach transportierten nicht Menschen, sondern Meeressäuger die ersten Tuberkulose-Erreger über den Atlantik – lange vor Ankunft der Spanier. Das belegen DNA-Analysen von drei peruanischen Mumien, die vor 1.000 Jahren starben und an Tuberkulose erkrankt waren. Sie steckten sich wahrscheinlich an, als sie Robbenfleisch aßen.

Die Tuberkulose gehört zu den großen Seuchen der Menschheit. Vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert starb jeder Fünfte an der „Schwindsucht“, noch heute sterben weltweit ein bis zwei Millionen Menschen pro Jahr an dieser bakteriellen Infektion. Woher die Seuche ursprünglich kam, war lange Zeit unklar, doch 2013 lieferten Genanalysen mehr Klarheit. Demnach könnte der Tuberkuloseerreger den Menschen bereits seit rund 70.000 Jahren begleiten. Schon die frühen Vertreter des Homo sapiens in Afrika haben demnach möglicherweise schon an dieser Krankheit gelitten, mit der Ausbreitung des Menschen erreichte der Erreger dann auch Europa und Asien. Wie die Seuche aber auf den amerikanischen Kontinent gelangte, blieb lange unklar. Weil sich die heute in Europa und Amerika verbreiteten Stämme der Tuberkulose stark ähneln, lag der Schluss nahe, dass die spanischen Eroberer diese Krankheit in die Neue Welt einschleppten – ähnlich wie auch die Pocken und andere Infektionskrankheiten.

Doch etwas passte nicht ins Bild: Einige Mumien und Skelette aus der präkolumbianischen Ära zeigen bereits Knochenveränderungen, wie sie typisch für die Tuberkulose sind. Die Krankheit musste demnach schon früher auf dem Kontinent präsent gewesen sein – aber warum? Um das herauszufinden, begaben sich Kirsten Bos von der Universität Tübingen und ihre Kollegen auf genetische Spurensuche: Sie analysierten Knochenproben von 68 Skeletten aus der Neuen Welt und suchten dabei gezielt nach der DNA von Mycobacterium tuberculosis. Bei drei rund 1.000 Jahre alten Mumien aus der Chiribaya-Kultur Perus wurden sie fündig. Durch Vergleiche mit verschiedenen heute bekannten Tuberkulosestämmen gelang es den Forschern, Verwandtschaft und Herkunft der präkolumbianischen Seuche zu bestimmen.

Robbenfleisch als Infektionsquelle

Das Ergebnis dieser Auswertungen war allerdings ziemlich überraschend: Der in den Mumien präsente Erreger war am engsten mit einem Tuberkulosestamm verwandt, der heute nur bei Robben und Seelöwen vorkommt. „Das war völlig unerwartet“, sagt Koautor Sebastien Gagneux vom Schweizerischen Tropeninstitut und der Universität Basel. Dieser Stamm löst heute bei Menschen noch Erkrankungen aus, aber er ist sehr selten und sicherlich nicht für die üblichen Tuberkuloseinfektionen beim Menschen verantwortlich.“ Dennoch liefert dieser Erregertyp endlich eine plausible Antwort darauf, wie die Seuche in die Neue Welt gelangte.

Das Szenario spielt sich nach Ansicht der Forscher wahrscheinlich folgendermaßen ab: Vor rund 2.500 Jahren steckten sich Robben in Afrika bei einer anderen Tierart mit der Tuberkulose an. Einige Zeit später durchschwammen einige dieser Tiere den Atlantik – dass Robben dies schaffen, ist schon länger bekannt. Entlang der südamerikanischen Küste siedelten sie sich an, begegneten dabei aber einem neuen Feind: den dort lebenden Ureinwohnern. Diese Küstenbewohner lebten von Fischfang, jagten aber auch Robben und Seelöwen und aßen ihr Fleisch. Darüber steckten sie sich wahrscheinlich mit der Tuberkulose an. Aus der Datierung der Skelette und dem Vergleich der Erreger-DNA schließen die Forscher, dass alle drei Fälle auf eine einzige Übertragung dieser Art zurückgehen könnten. Im Laufe der Zeit breitete sich dieser Erreger dann durch gegenseitige Ansteckung in der Neuen Welt aus, wurde dann aber nach Ankunft der Spanier durch den neueingeschleppten europäischen Bakterienstamm verdrängt. Die Eroberer brachten daher zwar durchaus die Tuberkulose nach Amerika, sie waren aber nicht die ersten.

Anzeige

Mehr zum Thema:

Tuberkulose: Treuer Begleiter seit 70.000 Jahren

Antibiotika am Ende: Resistente Keime sind immer schwieriger zu beherrschen. bdw analysiert Ursachen und zeigt Auswege.

Die Schnüffler vom Dienst: Mit ihren feinen Nasen erschnüffeln Ratten den Erreger der Tuberkulose

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ad|sor|bens  〈n.; –, –ben|zi|en; Chem.〉 Stoff, der aus einem Gas od. einer Flüssigkeit einen darin befindlichen anderen Stoff selektiv an seiner Oberfläche anreichert [→ adsorbieren … mehr

Schmet|ter|lings|blüt|ler  〈m. 3; Bot.〉 Angehöriger einer zu den Hülsenfruchtartigen gehörenden Pflanzenfamilie, deren Blüten den Schmetterlingen ähneln: Papilionaceae

fil|misch  〈Adj.〉 den Film, die Filmtechnik betreffend, mithilfe des Films ● etwas ~ darstellen; das Stück ist ~ geschickt, gut gemacht

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige