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Über 100 und kein bisschen vergesslich

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Über 100 und kein bisschen vergesslich
Die Biologin Tamar Gutnick krault „George“ im Tiergarten Schönbrunn in Wien. (Bild: OIST)

Sie sind für ihre Langsamkeit und Langlebigkeit berühmt – als besonders clever gelten Riesenschildkröten dagegen nicht gerade. Doch offenbar ist das ein falscher Eindruck: Die skurrilen Reptilien lernen schnell und besitzen ein Langzeitgedächtnis, zeigt eine experimentelle Studie.

Gemächlich stapfen sie über die Galapagos-Inseln und Seychellen: Auf diesen entlegenen Inseln haben sich verschiedene Arten von Landschildkröten entwickelt, die mehrere hundert Kilogramm schwer werden und ein Alter von über 150 Jahren erreichen können.
„Der Ruf dieser Tiere als simpel und dumm wurde teilweise von den Entdeckern geprägt, die sie einfach als Fleischvorrat sammelten und lagerten“, sagt Tamar Gutnick von der Okinawa Institute of Science and Technology in Japan. Doch wie die Wissenschaftlerin betont, gab es auch schon früh Menschen, denen komplexe Verhaltensweisen bei den Riesenschildkröten auffielen. Darunter Charles Darwin: Er bemerkte, dass Galapagos-Schildkröten weite Strecken zurücklegen, um zu verschiedenen Orten in ihrem Lebensraum zu gelangen, an denen sie fressen, trinken, schlafen oder im Schlamm baden. Dieses Wanderverhalten legte bereits ein Erinnerungsvermögen nahe.

Keine „dummen“ Reptilien

„Im Umgang mit den Tieren haben wir immer wieder festgestellt, dass sie ihre Bezugspersonen erkennen“, berichtet Gutnick von ihren Erfahrungen mit den Riesenschildkröten, die vor rund zehn Jahren im Tiergarten Schönbrunn in Wien begannen. „Mir war klar, dass sie außerdem sehr unterschiedliche Persönlichkeiten besitzen. Durch unsere Studie können wir nun auch wissenschaftlich verdeutlichen, dass diese Reptilien nicht so simpel sind, wie viele annehmen“, so die Biologin. Gemeinsam mit ihren Kollegen hat sie durch Versuche mit Riesenschildkröten aus dem Wiener Zoo und dem Zoo Zürich ausgelotet, inwieweit die Tiere lernfähig sind und sich an Gelerntes erinnern können.

Den Forschern gelang es, den teilweise über hundert Jahre alten Probanden beizubringen, einen abstrakten Reiz mit Futter zu verknüpfen: Die Schildkröten lernten, dass sie eine leckere Karotte bekommen, wenn sie in einen Ball mit einer bestimmten Farbe beißen. Die Tiere konnten dabei aus zwei Alternativen den farblich richtigen Ball auswählen, zeigten die Tests. Auch drei Monate später meisterten die Schildkröten die Aufgabe noch. Doch das war nicht der beeindruckendste Beweis ihres Langzeitgedächtnisses: Wie die Forscher berichten, waren die Schildkröten auch noch bei einem erneuten Test nach neun Jahren in der Lage, den richtigen Ball auszuwählen.

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Hinweise auf soziales Lernen

Zudem fanden die Wissenschaftler Hinweise auf einen weiteren interessanten Aspekt der Lernfähigkeit der Riesenschildkröten: Sie stellten fast, dass die Tiere die Aufgabe mit den Bällen schneller lernten, wenn sie in Gruppen trainiert wurden, als wenn sie alleine waren. Dies legt nahe, dass sie sich das Verhalten von ihren Artgenossen zumindest teilweise abschauen konnten. „Das war ein sehr unerwartetes Ergebnis“, sagt Gutnick. „Denn Riesenschildkröten sind nicht als besonders soziale Tiere bekannt, aber die Steigerung der Lerngeschwindigkeit war unverkennbar“. Die Wissenschaftler spekulieren, dass diese Fähigkeit damit zu tun hat, dass die Tiere in freier Wildbahn wichtige Informationen erhalten, wenn sie andere Schildkröten bei bestimmten Verhaltensweisen beobachten.

Die Studie verdeutlicht, wie wenig bisher über die kognitiven Fähigkeiten von Reptilien bekannt ist, sagen die Wissenschaftler. Ihnen zufolge zeichnet sich somit nun Forschungspotenzial ab: „Zoos können es uns ermöglichen, diesen Aspekt nun genauer zu erkunden“, sagt Gutnick.

Video: Zoovienna Tiergarten Schönbrunn

Quelle: Okinawa Institute of Science and Technology (OIST) Graduate University, Fachartikel: Animal Cognition, doi: 10.1007/s10071-019-01326-6

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