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Umwelt: Eisen gegen den Klimakollaps

Erde|Umwelt

Umwelt: Eisen gegen den Klimakollaps
Algen sollen die globale Erwärmung bremsen. Eisenmangel läßt Plankton langsamer wachsen. Und da die Algen der wichtigste Konsument des Treibhausgases Kohlendioxid sind, könnte mit einer „Eisendüngung“ der Ozeane die globale Erwärmung gebremst werden, spekulieren Forscher und Politiker. Doch Ökologen warnen vor übereilten Aktionen.

Grünlich trübes Meerwasser umspült den Bug des Forschungsschiffes „R.V. Melville“ im Heimathafen San Diego. Vor der Küste Kaliforniens ist dieser Farbton ganz natürlich. Hier ist der Pazifik durch aufsteigendes, nährstoffreiches Tiefenwasser reich an Stickstoff, Phosphor und anderen Mineralien – Futter für das Phytoplankton, das aus mikroskopisch kleinen Bakterien, Grün- und Kieselalgen besteht. Sie enthalten den grünen Photosynthese-Farbstoff Chlorophyll, können also mit Hilfe des Sonnenlichts und dem im Wasser gelösten Kohlendioxid (CO2) Energie produzieren und ihre Zellbausteine herstellen. Das Phytoplankton ist die „Weide“, auf der das Zooplankton grast, einzellige Tiere und die Larven von Krebsen, Quallen und Fischen. Vom Zooplankton wiederum ernähren sich die Räuber, Fische und Meeressäuger. Ohne Algen bricht die ganze Nahrungskette zusammen.
Nicht überall ist das Meer grün. Bei einer Forschungsexpedition vor den Galapagos-Inseln durchpflügt die „R.V. Melville“ blaues, klares Wasser. Aber dieses Postkarten-Klischee des tropischen Pazifik zeigt eine lebensarme Wüste: In den offenen Ozeanen der Südhalbkugel wächst kaum Phytoplankton, von dem sich andere Meeresbewohner ernähren könnten. Aber warum?

Einer der ersten, der darauf eine schlüssige Antwort gab, war Dr. Kenneth Coale, Ozeanograph am kalifornischen Moss Landing Marine Laboratory. Sein Chef, Prof. John H. Martin, kam vor einigen Jahren auf die Idee, daß in diesen Gebieten vielleicht ein wichtiger Nährstoff fehlt. Nach einigen Experimenten fiel der Verdacht auf Eisen: Im Labor läßt der Zusatz von Eisen klare Wasserproben ergrünen – der Beweis, daß sich in Spuren vorhandene Algen rasch vermehren.

Ein paar Eisenatome sind nötig, um die komplizierten Abläufe innerhalb einer Zelle in Gang zu halten, besonders in den Molekülen, die an der Energieproduktion beteiligt sind. Ließe sich vielleicht, überlegte Martin, durch Eisendüngung das Plankton-Wachstum im Meer steigern? Schnelleres Wachstum sollte dann auch mehr gelöstes Kohlendioxid aufbrauchen, was wiederum mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre absaugt, wo es seit einigen Jahren dazu beiträgt, daß weltweit die Temperaturen steigen.

Wenn die Organismen später sterben, sinkt das in ihnen gebundene CO2 in die Tiefe und ist langfristig dem globalen Kreislauf entzogen. Das könnte den Treibhauseffekt dämpfen. Eine halbe Schiffsladung Eisen würde ihm genügen, hatte Martin einmal gescherzt, um eine neue Eiszeit auszulösen.
Seine provozierende These ließ Wissenschaftler und Politiker aufhorchen. Nach langer Debatte bewilligte die National Science Foundation in Washington Geld für eine Pilot-Studie. Martin starb allerdings, bevor er seine Eisen-Hypothese selbst testen konnte. Sein Mitarbeiter Coale führte die Arbeit fort. Ziel der ersten großen Expedition vor drei Jahren waren die Galapagos-Inseln, 1000 Kilometer westlich von Equador. Die Inseln liegen knapp südlich des Äquators, innerhalb einer schmalen Zone, in der nährstoffreiches Tiefenwasser aufsteigt.

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Coale und sein Team fanden zu beiden Seiten der Inselkette reichlich Nährstoffe, Eisen konnten sie allerdings nur im Westen nachweisen. Es gelangt hier offenbar mit einer Meeresströmung vom vulkanischen Galapagos-Massiv an die Oberfläche. Und nur im Westen wuchsen reichlich Algen. Wo das Eisen fehlte, blieb der Ozean, trotz der anderen Nährstoffe, blau – und tot.
Seine provozierende These ließ Wissenschaftler und Politiker aufhorchen. Nach langer Debatte bewilligte die National Science Foundation in Washington Geld für eine Pilot-Studie. Martin starb allerdings, bevor er seine Eisen-Hypothese selbst testen konnte. Sein Mitarbeiter Coale führte die Arbeit fort. Ziel der ersten großen Expedition vor drei Jahren waren die Galapagos-Inseln, 1000 Kilometer westlich von Equador. Die Inseln liegen knapp südlich des Äquators, innerhalb einer schmalen Zone, in der nährstoffreiches Tiefenwasser aufsteigt.

Noch fehlte allerdings der Beweis für eine direkte Wirkung des Spurenelements. Deshalb fuhr das Schiff in ein eisenarmes Gebiet südöstlich der Inselgruppe. Hier versprühten Coale und seine Mitarbeiter 480 Kilogramm gelöstes Eisensulfat über ein Gebiet von 64 Quadratkilometern. Dies erhöhte die Eisenkonzentration des Wassers um etwa das Hundertfache – und verursachte in der Tat eine explosive Algenblüte: „Es sah dramatisch aus“, berichtet Coale. Rasche Messungen zeigten, daß sich die Chlorophyll-Konzentration verdoppelt hatte. Damit war allerdings nur der gleiche Wert erreicht wie westlich der Galapagos-Inseln mit der natürlichen Eisenzufuhr. Und die durch Düngung erzeugte grüne Phytoplankton-Weide wurde schnell vom Zooplankton weggefressen, wobei das gebundene Kohlendioxid durch die Atmung der Tiere wieder zurück in die Atmosphäre gelangte. Außerdem sank viel Eisen ungenutzt in die Tiefe. Der Effekt für die CO2-Bilanz durch dieses Experiment war Null.

Doch Coale gab nicht auf. 1995 kehrte er mit der „R.V. Melville“ und einem internationalen Forscherteam zu den Galapagos-Inseln zurück. Dieses Mal hatte er sich eine andere Dosierung überlegt. Um den natürlichen Eisentransport besser nachzuahmen, wurde eine halbe Tonne Eisen auf einer Fläche von 100 Quadratkilometern „ausgesät“ – nicht auf einmal, sondern über eine Woche verteilt. „Das Experiment hört sich einfach an, ist aber extrem schwierig“, erklärt Coale. Um der Aussaat auf dem freischwimmenden Versuchsfeld folgen zu können, wurde eine Boje mit einer GPS-Antenne (Global Positioning System) und einem improvisierten Unterwassersegel – einem Duschvorhang – ins Wasser gelassen. Während die Boje mit der Meeresströmung segelte, folgte ihr das Schiff, und das Team notierte per Satelliten-Ortung den Zickzack-Kurs über 1500 Kilometer. Kontinuierlich analysierten die Forscher im Bordlabor Wasserproben aus sechs Meter Tiefe auf Chlorophyll, Nährstoffe und Spurenelemente. Das Arbeitspensum hielt die 37köpfige Mannschaft aus den USA, England und Mexiko rund um die Uhr auf Trab.
Coales Bilanz: „Der Aufwand hat sich gelohnt. Beim zweiten Anlauf hat’s geklappt.“ Innerhalb weniger Tage war aus dem blauen Pazifik eine grüne Suppe entstanden, das Chlorophyll um das 30fache angestiegen. Das Eisen war infolge der gleichmäßigen Verteilung weitgehend in nutzbarer Form an der Oberfläche geblieben. Das Zooplankton konnte die Algen gar nicht so schnell wegfressen, wie es nachwuchs. Viel Phytoplankton sank – wie erhofft – mitsamt dem gebundenen Kohlenstoff in die Tiefe. Eine Woche nach der Aussaat hatte sich die grüne Suppe wieder geklärt.

Ob das Plankton-Wachstum allerdings so viel CO2 verbrauchte, daß die Atmosphäre sich merklich abkühlte und womöglich gar die Eiszeiten auslöste, ist reine Spekulation. Der wichtigste Auslöser, glauben die Forscher zur Zeit, sind leichte Schwankungen der Sonneneinstrahlung. Andere Faktoren – darunter der Eisen-Algen-Zyklus – könnten von der Sonne gesteuerte Klimatrends beschleunigen oder hemmen. Immerhin: Die Eisen-Experimente haben der Ozeanographie und Klimatologie neue Ideen und Erkenntnisse beschert. Coale möchte deshalb gern weitermachen, doch die Finanzierung solcher Projekte ist bei den gegenwärtigen Haushaltskürzungen schwierig. Ein einziger Tag auf See kostet rund 20000 Dollar. Deshalb wird Coale seine Arbeit zunächst im kleinen Rahmen fortsetzen – im Labor und in küstennahen Gewässern.

Zwar sorgt sich der Ozeanforscher, daß seine Daten für politische Zwecke mißbraucht werden, doch er ist auch davon überzeugt, daß mehr Wissen letztlich nur helfen kann: „Je mehr wir uns als Teil eines komplexen Systems verstehen, um so besser können wir verantwortliche Entscheidungen für die Erde treffen.“

Bruni Kobbe
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