„Wir haben uns gefragt, ob und wie sich diese Labels auf das Essverhalten der Verbraucher auswirken“, erklärt Jörg Königstorfer von der TU München. Gemeinsam mit seinem Kollegen Hans Baumgartner von der Pennsylvania State University führte er ein Experiment mit einer größeren Gruppe von Probanden durch, unter denen sowohl abnehmwillige als auch normalgewichtige Personen vertreten waren. Den Teilnehmern des Versuchs wurde erzählt, es ginge um einen Geschmackstest mit einem neuen Studentenfutter. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt eine als „Fitness“-Studentenfutter deklarierte 800-Gramm-Packung, auf der zusätzlich ein Paar Turnschuhe abgebildet war. Die andere Hälfte bekam den gleichen Inhalt in einer neutralen Verpackung überreicht. Die Probanden hatten acht Minuten Zeit, das Produkt zu verkosten und zu bewerten. Die Forscher baten sie, sich dabei vorzustellen, sie würden zu Hause einen Nachmittagssnack verzehren. Nach dem Test füllten die Versuchspersonen einen Fragebogen aus, der neben der Geschmacksbewertung auch Essgewohnheiten und gesundheitliche Daten abfragte.
Verführung für Abnehmwillige
Und tatsächlich zeigte die Fitness-Kennzeichnung Wirkung – aber nur bei einem Teil der Probanden: bei denjenigen, die zuvor angegeben hatten, Probleme mit dem Gewicht zu haben und abnehmen zu wollen. „Diese Gruppe griff bei den angebotenen Snacks stärker zu als andere Studienteilnehmer“, berichtet Königstorfer. Im Durchschnitt nahmen sie dadurch zwischen 50 und 100 Kilokalorien mehr auf. Aber nicht nur das: Der Effekt des vermeintlich fitmachenden Snacks reichte auch über das Essverhalten hinaus, wie ein weiteres Experiment ergab. In diesem baten die Forscher ihre Probanden nach der Verkostung auf ein Ergometer. „Wir erklärten ihnen, die Wechselwirkung von Nahrungsaufnahme und körperlicher Bewegung untersuchen zu wollen“, sagt Königstorfer. „Dabei konnten die Probanden selbst entscheiden, wie lange und intensiv sie Rad fahren wollten.“
Wie sich zeigte, verführte der vermeintliche „Fitness“-Snack die abnehmwilligen Personen nicht nur dazu mehr zu essen. „Obwohl diese Gruppe deutlich mehr Energie, also Kalorien, aufgenommen hatte, waren sie auf dem Ergometer weniger aktiv“,
fasst Königstorfer zusammen. „Offenbar sehen diese Teilnehmer in der ‚fitten‘ Nahrung einen Ersatz für körperliche Bewegung.“ Die Forscher sehen in den Ergebnissen ihrer Studie einen klaren Hinweis, dass das „Fitness“-Label ein Risiko für übergewichtige Personen darstellt. „Für Menschen, die gerne und vielleicht auch zu viel essen, kommt das Wort ‚fit‘ einem Freibrief gleich: mehr zu essen – und sich weniger zu bewegen, um den Energieüberschuss zu kompensieren.“
Doch man kann diesem raffinierten Marketing-Effekt durchaus gegensteuern: durch Aufklärung und Information, wie ein weiterer Versuch belegte. In diesem machten die Forscher unterschiedliche Angaben zum vermeintlichen „Fitness“-Snack: Ein Teil der Probanden, die abnehmen wollten, erhielt Informationen über gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe wie Magnesium, Vitamin B und Ballaststoffe. Gegenüber der anderen Gruppe betonten die Wissenschaftler dagegen den hohen Fett- und Fruchtzuckergehalt. „Wenn wir die Versuchsteilnehmer über den hohen Energiegehalt der Nussmischung aufklärten, verlor der Begriff ‚Fitness‘ seine Wirkung“, so Königstorfer. Die über den hohen Kaloriengehalt aufgeklärten Probanden aßen von dem „Fitness“-Studentenfutter nicht mehr als von dem neutral verpackten. Das zeigt, dass Ernährungsberatung und Aufklärung gerade bei Jugendlichen durchaus sinnvoll sein können und einen Effekt haben.