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VERDAMMTE DÄMME

Erde|Umwelt Technik|Digitales

VERDAMMTE DÄMME
Vor 40 Jahren, als der Wasserstau für den Assuan begann, waren Wasserkraftwerke das Nonplusultra. Doch bald wurde Kritik laut. Heute sind Megadämme verschrieen. Eine Weltkommission für Staudämme hat Für und Wider untersucht.

Jahrtausendelang kannten die Ägypter nur drei Jahreszeiten: „ perit“, „shemu“ und „achit“ – die Zeit der Aussaat, der Ernte und der Überschwemmung. Doch seit rund 40 Jahren ist es aus mit dem nassen Trio. Der natürliche Rhythmus, der die Arbeit auf den Feldern bestimmte, gehört seither ins Reich der Geschichtenerzähler. 1971 eröffnete Präsident Anwar al-Sadat nach elf Jahren Bauzeit den Assuan-Staudamm. Hinter dem 111 Meter hohen Wall wuchs ein fast 500 Kilometer langer See, zehnmal so groß wie der Bodensee – und der Wüstenstaat bekam ein neues Gesicht. Nicht nur, dass zahlreiche Ortschaften und archäologische Sehenswürdigkeiten in den Fluten versanken, auch unterhalb des gigantischen Bauwerks veränderte sich das Tal grundlegend. Der Nil fließt seither in gezähmter Gleichförmigkeit dahin, ohne den Jahrtausende gewohnten Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser. Sein gewaltiges Delta wächst nicht mehr ins Mittelmeer hinaus, sondern schrumpft jedes Jahr um Dutzende von Metern, weil sich der mitgeführte Schlamm bereits im Stausee absetzt. Und auf den Feldern ersetzen Bewässerungskanäle und Kunstdünger den Segen der jährlichen Flut. Mit ertragreichen Folgen: Die Bauern fahren jedes Jahr zwei oder sogar drei Ernten ein statt nur einer.

Die sechziger und siebziger Jahre waren weltweit die Blütezeit großer Dammbauten. Wie Pilze schossen gigantische Mauern und Wälle aus engen Tälern empor, ob in Brasilien oder China, in Japan oder der Türkei. Fast täglich übergaben Investoren zwei bis drei neue Sperrwerke ihrer Bestimmung. Die Verheißungen klangen verlockend: umweltfreundlicher Strom, Wasser satt für Felder und Haushalte, Schutz vor Überschwemmungen, bequeme Schifffahrt – und das alles auf einen Streich. In den achtziger Jahren ebbte die Euphorie ab. In Nordamerika und Europa, wo Umweltschützer politische Triumphe feierten, sank die Zahl neuer Dämme drastisch. Immer mehr Widerstrand regte sich, wenn wieder einmal ein Tal versperrt werden sollte. Umweltschützer schimpften über den Frevel an der Natur und die Vertreibung von Anwohnern. Viele Projekte scheiterten. So wurde 1984 in Deutschland nach zehn Jahren Streit der Bau der Negertalsperre im Hochsauerland ad acta gelegt. Weltbank und private Banken dampften ihr Geschäft mit dem Wasser immer mehr ein.

Riesen-Staudämme sind teuer, verändern die Umwelt radikal und bergen erheblichen sozialen Sprengstoff. Weltweit mussten um die 50 Millionen Menschen den Stauseen weichen, rund eine Million allein beim chinesischen Drei-Schluchten-Damm. Dennoch: „ Staudämme haben einen wichtigen Beitrag zur menschlichen Entwicklung geleistet und den Menschen beträchtlichen Nutzen gebracht“, resümierte die „Weltkommission für Staudämme“ Ende 2000 bei Vorlage ihres Rahmenplans zur Entscheidungsfindung. Der Kommissions-Vorsitzende Kader Asmal sagte: „Staudämme bleiben eine wichtige Option, um auf wachsenden Entwicklungsbedarf zu reagieren.“ Das Expertengremium, von Weltbank und Weltnaturschutzunion 1997 eingerichtet, setzt sich aus Mitgliedern von 68 Institutionen in 36 Ländern zusammen und vertritt „gleichermaßen verschiedene Gruppen von Befürwortern und Gegnern von Staudämmen“.

Staudämme pauschal zu bewerten, fällt schwer. Wie soll man etwa eine saubere Stromproduktion mit dem Rückgang der Artenvielfalt verrechnen? Die Blickrichtung bestimmt das Ergebnis – und darin steckt die Tücke: Tiefe ideologische Gräben trennen Gegner und Befürworter von Dammprojekten und lassen kaum Platz für nüchterne Fakten. So schimpfte schon 1983 der Ägypter Fouad Ibrahim, Geographie-Professor an der Universität Bayreuth, in bild der wissenschaft, der Assuan-Damm sei einer der größten Irrtümer unserer Zeit: „Wenn man nur einen Teil der Anstrengungen und Kosten aufwenden würde, die für die Beseitigung von Nebenschäden notwendig sind, um den Damm schrittweise abzutragen, wäre der langfristige Nutzen wesentlich größer.“

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Aus heutiger Sicht hat das Bauwerk seinem Land zweifellos Vorteile gebracht:

• Die Turbinen decken etwa ein Viertel des ägyptischen Stromverbrauchs, Anfang der achtziger Jahre waren es sogar 70 Prozent.

• Katastrophale Überschwemmungen blieben aus.

• Die landwirtschaftliche Produktion hat sich vervielfacht – ein großes Plus für einen Wüstenstaat mit rasant wachsender Bevölkerung, der in erheblichem Maße von Agrar-Importen abhängt.

• Als zwischen 1979 und 1988 in Ostafrika der Regen ausblieb, hat der Stausee katastrophale Missernten verhindert.

• Auch das Argument vom „fruchtbaren“ Nil-Schlamm, der einst die Felder gedüngt hat und nun ausbleibt, sticht nicht. Die Sedimentfracht aus dem Hochland von Äthiopien enthält nur wenig Nährstoffe. Ohne Kunstdünger kann die Landwirtschaft ihre hochgesteckten Ziele also ohnehin nicht erreichen.

Zu den dunklen Seiten des Dammes gehört, dass 100 000 Bauern ihre Heimat verlassen mussten. Viele von ihnen landeten im sozialen Abseits. Während die Verlegung der Kolossal-Statuen von Abu Simbel die Weltöffentlichkeit bewegte, interessierte sich kaum jemand für das Los dieser Menschen. Bis heute macht den Bauern die zunehmende Bodenversalzung zu schaffen. Die künstliche Dauer-Bewässerung lässt den Grundwasserspiegel steigen: Im Boden gelöste Minerale können so bei der Verdunstung nach oben gelangen und dort Salze anreichern. Früher spülte das jährliche Hochwasser das Salz fort. Jetzt verschärft der ausgebrachte Kunstdünger das Problem. Moderne Bewässerungstechnik und Dränagen können Abhilfe schaffen – und werden in weiten Landstrichen inzwischen auch praktiziert.

Derzeit gibt es auf der Welt rund 45 000 große Staudämme, davon 311 in Deutschland. Als „groß“ gelten nach einer Definition der „Internationalen Kommission für Großstaudämme“ (ICOLD) Dämme, die mindestens 15 Meter hoch sind oder mehr als drei Millionen Kubikmeter Wasser aufstauen. Fast die Hälfte aller großen Dämme steht in China. Die mit der Wasserkraft gewonnene Energie deckt 19 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs. Zwei Dutzend Länder setzen zur Stromerzeugung fast ausschließlich auf Wasserkraft, darunter Norwegen und Brasilien. In Österreich liefern Wasserkraftwerke immerhin 75 Prozent des Stroms, in der Schweiz 60 Prozent, in Deutschland dagegen nur vier Prozent. Die Hälfte aller großen Staudämme dient der Bewässerung. Sie liefern das Wasser für 30 bis 40 Prozent aller bewässerten landwirtschaftlichen Flächen weltweit.

Auch der Hochwasserschutz ist eine wichtige Aufgabe der Dämme. Etwa ein Drittel aller Schäden, die Naturkatastrophen weltweit anrichten, geht auf das Konto von Überschwemmungen, in Fernost sogar fast die Hälfte. In China starben 1853 und 1931 jeweils mehr als 100 000 Menschen in den Fluten, beim Super-Hochwasser von 1887 sogar fast eine Million. Staudämme können diese Gefahr zumindest begrenzen – eine Aufgabe, die sie bisher recht erfolgreich gemeistert haben, wie die Weltkommission für Staudämme urteilt.

Ein großes Problem war lange Zeit die Versandung: Im ruhigen Wasser der Stauseen setzt sich das Sediment ab, das jeder Fluss mitführt, und reduziert das Stauvolumen – bis der Damm das Hochwasser nicht mehr bändigen kann und seinen Sinn verliert. Die Sedimentfracht der Flüsse schwankt erheblich – um den Faktor 1000 und mehr. Die chinesischen Ströme gehören zu den Spitzenreitern, denn in ihrem Einzugsgebiet kommt alles zusammen, was Dreck macht: viel Niederschlag, ein junges und damit brüchiges Gebirge (Himalaja) und leicht erodierbare Böden, wie sie im nordchinesischen Lössgürtel vorkommen. Spitzenreiter unter den trüben Strömen ist – nomen est omen – der Gelbe Fluss. Er schleppt im Schnitt 35 Kilogramm Schlamm, Sand und Geröll in jedem Kubikmeter Wasser mit, bei Hochwasser sogar bis zu 600 Kilogramm. Der Ganges, Zweiter bei diesem Ranking, bringt es gerade mal auf 4 Kilo.

Schon 1955 haben Experten einen Plan vorgelegt, den Gelben Fluss mit 46 Dämmen zu zähmen. Als der erste 1961 fertiggestellt war, minderten die Ablagerungen schon nach anderthalb Jahren, als sich der See gerade gefüllt hatte, das Speichervolumen um 15 Prozent. Große und tiefe Durchlässe mussten nachträglich seitlich des Damms in den Fels gehauen werden, durch die der Schlamm abfließen konnte. Inzwischen gehören solche Bypässe samt ausgeklügeltem Sediment-Management zum technischen Standard.

Ein Paradebeispiel ist der 2001 fertig gestellte Xioalangdi-Damm, der mit seinen 154 Metern Dammhöhe an die Dimensionen des Drei-Schluchten-Damms heranreicht: Seine haushohen Bypässe werden nach einem raffinierten Plan gesteuert.

Während der ersten Jahre nehmen die Wasserbauer bewusst in Kauf, dass sich im Stausee Sediment ablagert. Denn bisher hat dieser Schlamm im flachen Unterlauf den Gelben Fluss buchstäblich in die Höhe wachsen lassen. Die Sohle hob sich Jahr für Jahr um zehn Zentimeter, so dass sie inzwischen an manchen Stellen das umgebende Gelände um mehrere Meter überragt. Würde hier ein Damm brechen, stünde der ganze Landstrich unter Wasser.

Der Xioalangdi-Damm soll diesen gefährlichen Prozess stoppen. Erst in 20 bis 30 Jahren, wenn es im See zu eng wird, soll der Dreck das Sperrwerk passieren. Immer dann, wenn der Fluss viel Wasser führt, soll die Strömung das Sediment fortspülen, und zwar gleich bis ins Meer – eine Prozedur, die an die Reinigung der städtischen Kanalisation erinnert. Nach den Berechnungen der chinesischen Behörden könnte selbst ein „Jahrtausendhochwasser“ keinen katastrophalen Schaden anrichten.

Auch der Drei-Schluchten-Damm am Jangtse soll in erster Linie dem Hochwasserschutz dienen, wie die Chinesen versichern. Er soll Überschwemmungen wie 1954 verhindern, als am Unterlauf 30 000 Menschen ertranken. Eine schwierige Aufgabe, denn der Fluss führt auf Höhe des Drei-Schluchten-Damms fünfmal so viel Wasser wie der Rhein bei Duisburg, bei Hochwasser sogar mehr als das Zwanzigfache. Während des Monsuns dauert es wenige Tage, bis sich der gesamte 600 Kilometer lange See gefüllt hat. Das Hochwasserkonzept sieht deshalb vor, den Wasserspiegel im See jeweils vor der Regenzeit – Ende Mai – um 30 Meter zu senken und anschließend so viel Wasser passieren zu lassen, wie die Deiche im Unterlauf gerade noch verkraften. Die gesteuerte Flut soll zugleich das abgelagerte Sediment aus dem See schwemmen.

Manche chinesischen Experten bezweifeln, ob die Rechnung aufgeht. Der Damm, sagt etwa der Ingenieur Weiluo Wang, der zwischen 1980 und 1984 an den Planungen beteiligt war, biete nicht mehr Sicherheit als die Deiche, die nach der Katastrophe von 1954 erhöht wurden. Viele Kritiker schimpfen zudem über den Gigantismus des 24-Milliarden-Dollar Projekts, dessen Turbinen dereinst 18 200 Megawatt leisten sollen – das größte Wasserkraftwerk der Welt. „Ein Denkmal für die Genossen“, hieß es im Magazin „Der Spiegel“ lapidar. Was dabei allerdings verkannt wird: Würde man statt eines Mega-Damms mehrere kleinere Dämme bauen, wie oft gefordert, ginge viel mehr Land verloren. Denn bei geringeren Stauhöhen ist mehr Fläche nötig, um dasselbe Speichervolumen zu erreichen. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes nimmt ein kleiner Damm für jede Kilowattstunde erzeugten Stroms mehr Natur in Anspruch als ein großer.

Für die Anwohner, die dem Wasser weichen müssen, ist das freilich kein Trost. Die 180 000 Chinesen etwa, die beim Bau des Xioalangdi-Damms aus ihrer Heimat vertrieben wurden, konnten sich nicht einmal wehren. Sie leiden ebenso wie die Natur unter den gewaltigen Bauwerken. Jeder Damm verändert das Artenspektrum in Fluss und Tal radikal. Vor allem Wanderfische wie der Lachs bleiben auf der Strecke. Ob ein Staat diese Nachteile in Kauf nimmt, ob er hohe Entschädigungen und eine veränderte Umwelt als Preis akzeptiert, ist letztlich eine politische Entscheidung.

Eines steht FEst: Wenn ein Damm erst einmal gebaut ist, lässt sich die Natur selbst mit technischen Tricks nicht wieder in den Urzustand versetzen. Die Amerikaner haben das 1996 im Grand Canyon versucht. Eine Woche lang öffneten sie die Schleusen des 40 Jahre alten Glen-Canyon-Damms, und vom Lake Powell schoss eine Flutwelle durch die Postkarten-Schlucht. Ein Heer von Wissenschaftlern schaute zu und war zunächst begeistert vom simulierten Hochwasser. Doch die Langfrist-Analyse, sechs Jahre später, fiel ernüchternd aus. Die einmalige Flut hatte nichts gebracht. Um der ursprünglichen Natur wieder auf die Beine zu helfen, müsste man solche Sturzfluten wieder und wieder lostreten. Doch das verhindern Verträge: Wegen der vielen Bewässerungsprojekte am Colorado ist die Zuteilung des Wassers streng reglementiert.

Wer die Natur partout in ihren Urzustand zurückversetzen will, muss die Dämme schon in die Luft sprengen. In den USA werden inzwischen tatsächlich mehr Dämme „zurückgebaut“ als neue errichtet. Im letzten Jahr waren es 57, seit 1999 weit über 100 – darunter freilich keine ganz großen. Auch die Franzosen haben ein paar Wehre mit großem Werberummel zerstört. Der gewaltsame Eingriff in die Infrastruktur tut diesen Ländern nicht weh, denn in den Industrienationen stehen ohnehin mehr als genug Dämme – an jedem halbwegs günstigen Standort einer. In Deutschland gibt es keinen einzigen naturbelassenen Fluss mehr.

Anders in der Dritten Welt: Dort haben viele Länder erheblichen Nachholbedarf. Es kann nicht die Sache von Ökologen der Industrieländer sein, diesen Staaten den Ausbau zu verwehren. Die Weltkommission für Staudämme fordert allerdings, neue Projekte zusammen mit der betroffenen Bevölkerung zu verwirklichen: Die Anwohner sollen an der Planung beteiligt sein und von den Vorteilen des Damms profitieren. Bisher waren die umgesiedelten Menschen meist die Leidtragenden – ein „ unzumutbarer und unnötiger Preis“, wie die Kommission meint. Auch solle man frühzeitig Alternativen prüfen und die Folgen des Eingriffs für die Natur abschätzen. Ein besonders abschreckendes Beispiel ist der Aralsee, der inzwischen die Hälfte seiner Fläche eingebüßt hat und zur Salzwüste verkommt. Agrikulturplaner haben seine Zuflüsse regelrecht gekappt, um das Wasser für die Bewässerung der Baumwollfelder zu nutzen.

So mahnt die Kommission zur Vorsicht bei Dämmen, die allein der Bewässerung und Wasserversorgung dienen. Die meisten dieser Bauwerke hätten ihre Ziele nicht erfüllt. Ob im Irak, in Israel oder am amerikanischen Colorado, oft führten die Projekte zu einer Versalzung und Abtragung der Böden. Prof. Peter Rißler, der als Präsident des Deutschen Talsperrenkomitees die Interessen der Staudammbauer vertritt, wirft der Kommission allerdings eine einseitige Bestandsaufnahme vor. „An der Ruhr“, überspitzt er, „ wären ohne Staudämme fünf Millionen Menschen verdurstet.“ Seiner Ansicht nach ist die Kommission von Umweltverbänden dominiert worden. Sie hätte viele Daten, die ihr Experten zugetragen haben, gar nicht verwendet oder verfälscht und so ein falsches Bild gezeichnet.

Die Angst vor einem Dammbruch ist bei modernen Staudämmen unberechtigt. Bauwerke wie der Itaipú-Damm am südamerikanischen Paraná, der ein Viertel des brasilianischen und 90 Prozent des paraguayischen Strombedarfs deckt, sind mit Risiko-Sensoren reichlich bestückt: In der 196 Meter hohen Stahlbetonmauer stecken rund 2400 Messinstrumente, von Thermometern über Spannungsmesser bis zu Pendeln, die jede ungewöhnliche Regung der gewaltigen Masse melden. Ein ausgeklügeltes System von Entwässerungsanlagen sorgt obendrein dafür, dass die Mauer nicht unterspült wird.

Katastrophen wie am 9. Oktober 1963 im italienischen Vajonttal sind heute ausgesprochen unwahrscheinlich. Damals löste sich ein zwei Kilometer breiter Berghang und rutschte in den Stausee. Die Staumauer, erst wenige Jahre alt, hielt dem gewaltigen Wasserdruck zwar stand, aber eine Flutwelle schwappte über ihre Krone und schwemmte fünf Dörfer davon: 2500 Tote waren zu beklagen.

„Das war die Geburtsstunde der Felsmechanik“, sagt Rißler. Dass dem Hang nicht recht zu trauen war, hatten die Experten schon vor dem Bergsturz gewusst, aber nichts unternommen. „Heute verankern Ingenieure einen instabilen Hang mit Felsdübeln und entwässern ihn mit einer Drainage – oder sie bauen keinen Damm an dieser Stelle“, sagt Rißler.

Doch viele Dämme sind in die Jahre gekommen. Die Weltbank hat 25 indische Dämme unter die Lupe genommen und festgestellt, dass bei etlichen die Überläufe für den Hochwasserschutz nicht mehr ausreichen. Das ist brisant, denn nicht nur der WWF warnt davor, dass sich mit dem Klimawandel in vielen Regionen die Niederschläge erhöhen. Obendrein füllt Sediment viele Stauseen immer mehr auf. Es bleibt also viel zu tun an Staudämmen, auch wenn deren Baukonjunktur verblasst ist. ■

KLAUS JACOB, gelernter Bauingenieur, ist freier Wissenschaftsjournalist in Stuttgart und langjähriger bdw-Autor. Zuletzt berichtete er im März-Heft über Tornados in Deutschland.

Klaus Jacob

COMMUNITY FERNSEHEN

in Kooperation mit bild der wissenschaft hat „nano“, das Zukunftsmagazin in 3Sat, einen Fernsehfilm über Staudämme produziert. Die Erstausstrahlung ist am Mittwoch, 26. Mai, um 18.30 Uhr. Mehr Infos: www.3sat.de/nano

INTERNET

Weltkommission für

Staudämme:

www.unep-dams.org

Deutsches Talsperren

Komitee:

www.germannatcom-icold.de

Internationale Talsperren Kommission:

www.icold-cigb.org

Ohne Titel

· Staudämme gelten zu Unrecht als Öko-GAU: Sie sind für das Funktionieren einer Gesellschaft längst unabdingbar.

· 45 000 große Dämme gibt es weltweit.

· Um den Unmut der Bevölkerung einzudämmen, will die Weltkommission für Staudämme bei künftigen Projekten die Betroffenen in die Planung einbinden.

Ohne Titel

ASSUAN-DAMM

Land: Ägypten

Gestauter Fluss: Nil, Gesamtlänge 6700 km

Bauzeit: 1960 bis 1971

Länge des Stausees: 480 km

Gesamtinhalt: 169 Milliarden m3

Höhe/Breite der Hauptstaumauer: 111 m/3600 m

Turbinenleistung: 1100 MW

Auswirkungen:

Jahresstromproduktion: 10 Milliarden kWh, Anteil an der

gesamten Stromproduktion des Landes: 24 Prozent.

Geregelte Bewässerung führte zur Neuerschließung von 5300 km3 Agrarland und mehreren Ernten pro Jahr.

Verhinderte in den Dürrejahren 1979 bis 1988 Missernten.

100 000 nubische Bauern verloren ihre Heimat.

Die Tempelanlage Abu Simbel steht nicht mehr am

originären Ort (versetzt 1964 bis 1968).

Bodenversalzung und andere Veränderungen im

Ökosystem.

Ohne Titel

ITAIPÚ-DAMM

Land: Brasilien/Paraguay

Gestauter Fluss: Paraná, Gesamtlänge: 3700 km

Bauzeit: 1975 bis 1991

Länge des Stausees: rund 170 km

Gesamtinhalt: 29 Milliarden m3

Höhe/Breite der Hauptstaumauer: 196 m/1234 m

Turbinenleistung: 12 600 MW

Auswirkungen:

Jahresstromproduktion: 93 Milliarden kWh, Anteil an der gesamten Stromproduktion von Brasilien: 24 Prozent, von Paraguay: 90 Prozent.

Beliebtes Touristenziel.

Insgesamt wurden 43 000 Brasilianer und 25 000 Paraguayaner umgesiedelt und enteignet.

Veränderungen im Ökosystem.

Ohne Titel

DREI-SCHLUCHTEN-DAMM (Sanxia-Projekt)

Land: China

Gestauter Fluss: Jantsekiang, Gesamtlänge 6000 km

Bauzeit: 1984 bis 2010

Länge des Stausees: max. 600 km

Gesamtinhalt: 40 Milliarden m3

Höhe/Breite der Hauptstaumauer: 185 m/2300 m

Turbinenleistung: 18 200 MW

Auswirkungen:

Jahresstromproduktion: 85 Milliarden kWh,

geschätzter Anteil an der gesamten Stromproduktion des Landes: knapp 20 Prozent.

Verhindert verheerende Überschwemmungen.

Bewässert den trockenen Norden Chinas.

1,3 Millionen Menschen müssen umgesiedelt werden.

280 km3 fruchtbares Ackerland gehen verloren.

Verlust einer erstrangigen Naturschönheit und starke Beeinträchtigung des Ökosystems.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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Fut|ter  〈n. 13〉 1 dünne Stoffeinlage, innere Stoffschicht in Kleidungsstücken (Mantel~, Seiden~, Pelz~) 2 innere Schicht, Auskleidung eines Behälters … mehr

Epi|ro|ge|ne|se  〈f. 19〉 kontinentweite Auf– od. Abwärtsbewegung der Erdkruste durch lange Zeiten hindurch; Sy Kontinentaldrift … mehr

Dorn|hai  〈m. 1; Zool.〉 1 m langer Hai mit kräftigem Dorn vor den Rückenflossen: Acanthias vulgaris; Sy Seeaal … mehr

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