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Verwirrung bei der Wohnungssuche

Erde|Umwelt

Verwirrung bei der Wohnungssuche
Einsiedlerkrebse suchen sich leere Schneckenhäuser als mobile Behausung. (alxpin/iStock)

Myriaden winziger Plastikpartikel bedrohen weltweit die Ökosysteme der Meere. Wie vielschichtig dieses Umweltproblem ist, dokumentiert nun erneut eine Studie: Mikroplastik beeinträchtigt demnach die Fähigkeit von Einsiedlerkrebsen, sich ein passendes Schneckenhaus als Behausung zu suchen. Dies verdeutlicht, dass auch das Verhalten von Meerestieren durch die Partikel beeinträchtigt werden kann, sagen die Wissenschaftler.

Ein Blick auf das Strandgut an den Küsten der Welt macht klar: Die Meere sind stark mit Plastikmüll belastet. Die großen Stücke sind allerdings nur Teil eines viel weitreichenderen Problems: In den Meeren wimmelt es von winzigen Plastikteilchen von unter fünf Millimetern Größe. Eine Quelle dieses Mikroplastiks können Partikel in Pflegeprodukten sein, aber vor allem handelt es sich um die Überbleibsel des Zerfalls von Kunststoffprodukten wie Plastiktüten und Co. In manchen Meeresbereichen können sich diese Winzlinge besonders intensiv ansammeln und Meereslebewesen bedrohen. Einige Studien haben bereits gezeigt, dass durch das Verschlucken Gefahren entstehen und Mikroplastik zudem schädliche Substanzen abgeben kann. Das Problem hat Dimensionen, die sich bisher nur erahnen lassen, warnen Meeresschützer.

Vielschichtiges Umweltproblem

In die Sammlung von Hinweisen auf das komplexe Gefährdungspotenzial des Mikroplastiks reiht sich nun auch die Studie der Forscher um Andrew Crump von der Queen’s University Belfast ein. Die Meeresbiologen haben sich mit einem Lebewesen beschäftigt, das für ein kurios wirkendes Verhalten bekannt ist: Der Gemeine Einsiedlerkrebs (Pagurus bernhardus) sucht sich leere Schneckenhäuser als Behausung und nutzt sie dann als mobilen Unterschlupf. An vielen Küsten Europas kann man beobachten, wie diese bis zu zehn Zentimeter großen Gesellen mit ihren Häuschen über den Strand krabbeln.

Im Lauf ihrer Entwicklung ist immer wieder Umziehen angesagt: Wenn die Krebse wachsen, benötigen sie ein größeres Schneckenhaus. Wie die Forscher erklären, gehen die Tiere bei ihrer Wohnungssuche „bedacht“ vor: Sie erfassen die Merkmale verfügbarer Schneckenhäuser mit ihren Fühlern und entscheiden sich dann für oder gegen einen Umzug. Die richtige Wahl hat dabei für die Überlebenschancen der Krebse eine große Bedeutung, betonen die Forscher. Im Rahmen ihrer Studie sind sie nun dem Verdacht nachgegangen, dass Belastungen durch Mikroplastik einen Einfluss auf dieses Verhalten haben kann.

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Sie hielten dazu Einsiedlerkrebse fünf Tage lang in zwei verschieden Versuchsbecken: Eines enthielt reines Wasser, das andere war hingegen mit Mikroplastik belastet. Es handelte sich dabei um winzige Polyethylenkügelchen mit einer Konzentration, wie sie unter realen Bedingungen im Lebensraum der Tiere auftreten kann. Nach der Inkubationszeit holten die Wissenschaftler die Krebschen aus ihren Behausungen und übertrugen sie in für sie suboptimale Schneckenhäuser. Danach wurden sie dann in Beobachtungsbehälter gesetzt, in denen ihnen optimale Muschelschalen zum Umzug zur Verfügung gestellt wurden.

Umzugsverhalten im Visier

Wie die Wissenschaftler berichten, ging aus der Verhaltensanalysen hervor: Im Gegensatz zu den Kontrolltieren zeigten die zuvor dem Mikroplastik ausgesetzten Einsiedlerkrebse Beeinträchtigungen bei der Wahl einer besseren Behausung: Sie untersuchten die Alternativen nur zurückhaltend und zogen auch mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit in ein optimales Häuschen um als ihre
Kollegen, die zuvor im unbelasteten Wasser gelebt hatten. Die Forscher interpretieren die Ergebnisse als ein Zeichen dafür, dass das Mikroplastik die Fähigkeiten der Tiere zur Erfassung beziehungsweise Verarbeitung von Informationen beeinträchtigt hat.

Auf welcher Wirkung dieser Effekt genau beruht, können sie bisher allerdings nicht sagen. Dies müssten erst weitere Untersuchungen klären, schreiben die Wissenschaftler. Es sei aber möglich, dass Substanzen aus dem Plastik nach dem Verschlucken der Partikel ins Nervensystem der Tiere gelangt sind und dort für Störungen sorgen. Möglich wäre aber auch, dass die Aufnahme von Partikeln ein falsches Sättigungsgefühl hervorruft, wodurch der Energiehaushalt der Krebse durcheinander gerät und somit möglicherweise auch ihr Verhalten.

„Wir hoffen, dass sich nun weitere Studien mit den Auswirkungen der Mikroplastik-Exposition auf spezifische kognitive Prozesse bei Meerestieren befassen werden“, schreiben die Wissenschaftler abschließend.

Quelle: Biology Letters, doi: 10.1098/rsbl.2020.0030

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