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Vielfalt ist die Versicherung des Waldes

Ökosysteme

Vielfalt ist die Versicherung des Waldes
Im Rahmen des BEF-China-Experiments wird die Entwicklung von Bäumen in unterschiedlich zusammengesetzten Wald-Stücken kontinuierlich erfasst. (Bild: Stefan Trogisch)

Die Mischung macht’s: Wälder mit einem hohen Artenreichtum sind am besten gegen Witterungsextreme im Zuge des Klimawandels gerüstet, verdeutlicht eine Studie. Wenn einzelne Baumarten aufgrund ihrer jeweiligen Anfälligkeit gegenüber Nässe oder Dürre in einem Jahr weniger wachsen, können andere diesen Ausfall ausgleichen. Dadurch fallen die Schwankungen in der Produktivität bei artenreichen Wäldern vergleichsweise gering aus und unterm Strich steigt die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems. Die Erkenntnisse zeigen somit auf, wie die Forstwirtschaft die Wälder für die Herausforderungen der Zukunft stärken kann, sagen die Forscher.

Mal regnet es dauernd und dann kommt wieder ein Dürrejahr – Prognosen zufolge ist durch den Klimawandel nun immer häufiger mit solchen problematischen Klimakapriolen zu rechnen. Für die Wälder bedeuten dies Stress: Starke Nässe oder Trockenheit machen Bäumen zu schaffen – sie wachsen schwächer oder sterben sogar ab. Dadurch gehen Ökosystemleistungen wie Wasserspeicherung, Temperaturregulation und vor allem die Biomasseproduktion zurück. Gestresste Wälder nehmen somit auch weniger Kohlenstoff auf, während sie gleichzeitig vermehrt Treibhausgas abgeben – Effekte, die den Klimawandel erneut anfachen.

Studien haben bereits grundlegend gezeigt, dass natürliche Systeme besser mit Stress zurecht kommen als vom Menschen geprägte. Im Fall unserer subtropischen Wälder bedeutet Natürlichkeit dabei Gesellschaften aus mehreren Baumarten. Trotz der verschiedenen ökologischen Vorteile von Mischwäldern prägen allerdings Monokulturen aus schnell wachsenden Baumarten die Forstwirtschaft. Denn sie gelten als ertragreicher und leichter zu handhaben. Frühere Untersuchungen haben allerdings bereits in Frage gestellt, ob diese Rechnung auch in Zukunft aufgehen wird. Die neuen Studienergebnisse eines internationalen Forscherteams tragen dazu nun bei und zeigen genauer auf, welche Faktoren das Funktionieren von Wäldern unter Klimastress bestimmen.

Mischungseffekten auf der Spur

Die Einblicke basieren dabei auf Daten aus dem Projekt „BEF-China“. Bei diesem Freiland-Langzeit-Experiment untersuchen Wissenschaftler im Osten Chinas, wie sich die Biodiversität von Baumarten auf subtropische Waldökosysteme auswirkt. Auf einer großen Versuchsfläche wurden dazu hunderttausende von Bäumen in unterschiedlichen Artzusammensetzungen angepflanzt – von Monokulturen bis zu starken Mischungen. Im Verlauf der Jahre haben die Forscher die Entwicklung der unterschiedlichen Wald-Stücke bei den jeweiligen Bedingungen kontinuierlich erfasst. In einer kürzlich erschienenen Studie konnten sie den günstigen Effekt der Mischungen dabei bereits deutlich belegen: „Gepflanzte Wälder mit einer hohen Vielfalt an Baumarten mit unterschiedlichen Eigenschaften, erzielen eine höhere Produktivität als Wälder mit einer geringen Vielfalt“, resümiert Xiaojuan Liu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking.

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In der neusten Studie beleuchtet das Team nun Hintergründe des günstigen Mischungseffekts. Demnach zeichnet sich ab, dass Wälder mit einem hohen Artenreichtum am besten gegen Stress versichert sind: Der jährliche Holzzuwachs schwankt bei gemischten Beständen weniger, wodurch die Produktivität des Gesamtsystems gesichert wird. Die Stabilisierung ist dabei von den unterschiedlichen Merkmalen der Baumarten geprägt. Sie führen zu einer günstigen Asynchronität, erklären die Forscher: Wenn eine Art in einem feuchten und eine andere in einem trockenen Jahr gut wächst, gleicht sich der Verlust der jeweils anderen unterm Strich aus. Dabei gilt: Je unterschiedlicher diese Eigenschaften und je dynamischer die sich daraus ergebenden Austauschbeziehungen zwischen den Arten sind, desto ausgeprägter ist die stabilisierende Asynchronität der Baumartengemeinschaft.

Vielfalt bei der Nässe- und Trockentoleranz

Konkret zeigten die Studienergebnisse, dass Unterschiede bei der Trockentoleranz sowie die Wasserleit- und Verdunstungsfähigkeit der Bäume entscheidend sind: Je unterschiedlicher eine Waldgemeinschaft in diesen Eigenschaften war, desto stabiler war auch die gemeinschaftliche Biomasseproduktionsrate bei schwankenden Klimabedingungen. Das gleichmäßigste Wachstum erreichten deshalb Baumgesellschaften, die sich durch eine Vielfalt an Trockentoleranz- oder Wassernutzungs-Strategien auszeichneten.

„Solche Zusammenhänge zwischen Artenreichtum und Wachstumsstabilität und die dafür verantwortlichen Mechanismen konnten bisher nur in Grünland-Experimenten nachgewiesen werden. Wir belegen diese nun erstmalig auch unter experimentellen Bedingungen für subtropische Waldökosysteme“, sagt Erstautor Florian Schnabel vom Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). „Wir konnten zudem erneut belegen, dass artenreiche Bestände im Vergleich zu Monokulturen auch mehr Holz produzierten“.

Die Forscher hoffen, dass die Erkenntnisse aus dem BEF-China-Projekt in die Praxis einfließen werden: Die weltweite Forstwirtschaft und Initiativen zur CO2-Kompensation durch Wälder sollten sich auf den Aufbau, Erhaltung oder die Wiederherstellung von artenreichen Wälder zu konzentrieren. Nur so kann ihre Wachstumsstabilität und Produktivität angesichts des Klimawandels erhalten und erhöht werden. Co-Autor Christian Wirth vom iDiv sagt dazu abschließend: „Wir müssen die Funktionsfähigkeit der Wälder dringend schützen. Ein entscheidender Baustein dafür ist eine Veränderung der Waldbewirtschaftung: Weg von Monokulturen, hin zu vielfältigen Mischungen. Das ist die beste Versicherung für die Wälder selbst, wie natürlich auch für ihre Nutzer.“

Quelle: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung, Fachartikel: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abk1643

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