Die Forscher um Barres wollten nun untersuchen, ob einige Einheiten dieser Körperabwehrtruppen möglicherweise noch einen Zweitjob als Krankenpfleger haben und beschädigte Nervenverbindungen heilen. Für ihre Versuche verwendeten sie Mäuse, die aufgrund eines Gendefekts nicht in der Lage waren, B-Lymphozyten zu bilden ? also die Zellen, die wiederum für die Antikörperproduktion zuständig sind. Hatten diese Tiere Verletzungen am Ischias-Nerv erlitten, heilten die deutlich langsamer ab als bei normalen Mäusen. Injizierten die Wissenschaftler den benachteiligten Mäusen jedoch Antikörper, die sie zuvor von normalen Mäusen gewonnen hatten, heilten die Verletzungen wieder im normalen Tempo.
Als sie die Nervenverbindungen genauer unter die Lupe nahmen, fanden die Forscher auch den Grund dafür. Entscheidend bei der Heilung von Verletzungen der Nervenbahnen ist nämlich die Wiederherstellung der Isolierschicht Myelin. Diese fettreiche Biomembran umgibt die faserartigen Fortsätze der Nervenzellen und ist Voraussetzung für eine funktionierende Reizweiterleitung. Damit eine neue Myelinschicht aufgebaut werden kann, müssen jedoch zunächst die Reste der kaputten Membran abgetragen werden. Diese Aufgabe kommt den Fresszellen zu ? und die wiederum werden nur aktiv, wenn der Myelinmüll vorher mit speziellen Antikörpern gekennzeichnet wurde, wie Barres und seine Kollegen herausfanden.
Da diese Antikörper im zentralen Nervensystem fehlen, werden die unbrauchbar gewordenen Myelinmembranen dort nicht abtransportiert und die Schäden können nicht behoben werden. Gelänge es, die Anti-Myelin-Immunoglobuline in das zentrale Nervensystem einzuschleusen, wäre künftig vielleicht auch dort Heilung möglich, ebenso könnte der Heilungsprozess bei Schäden in anderen Körperbereichen beschleunigt werden.